piwik no script img

Klage gegen Spahns GesundheitsportalDas Halsweh-Kartell

Anne Fromm
Kommentar von Anne Fromm

Nach einer Klage des Burda-Verlags darf Google Inhalte des Gesundheitsministeriums nicht mehr bevorzugt ausspielen. Ein Gewinn für die Pressefreiheit?

Schnell mal „Halsschmerzen“ googeln: bis vor kurzem kam Spahns Gesundheitsportal an erster Stelle Foto: Ute Grabowsky/imago

S tellen Sie sich vor, sie spüren ein Kratzen im Hals. Ist das Corona oder nur eine Erkältung? Vermutlich setzen Sie sich nicht gleich ins volle Wartezimmer, sondern googeln erstmal. Aber auf welchen Link klicken Sie?

Wer bei Google nach „Halsschmerzen“ sucht, bekam bis vor kurzem als erstes einen Infokasten des Gesundheitsministeriums angezeigt. Seit November haben Google und das Ministerium kooperiert, Google spielte das staatliche Portal /gesund.bund.de/ in seinen Suchergebnissen ganz oben aus. Das Ziel der Zusammenarbeit: verlässliche Informationen in der Pandemie.

Das ist nun vorbei, das Landgericht München hat die Zusammenarbeit verboten. /Gesund.Bund/ darf weiter bestehen, wird aber bei Google nicht mehr prominent angezeigt. Geklagt hatte der Burda-Verlag, der die Webseite netdoktor.de betreibt, die ebenfalls über Krankheiten aufklärt. Burda argumentiert, dass netdoktor.de seltener besucht werde, seit Google das staatliche Gesundheitsportal prominent platziert. Damit seien Burda Werbeeinnahmen verloren gegangen.

Das Gericht ließ sich überzeugen und wertete die Zusammenarbeit von Google und dem Ministerium als Kartellverstoß. Die Frage, ob medizinische Informationen vom Staat verlässlicher sind als die von privaten Anbietern, spielte keine Rolle.

Der Burda-Verlag feiert sich nun als Kämpfer für die Pressefreiheit. Doch das stimmt so nicht ganz. Der Verlag betreibt sein Angebot ja nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern um Anzeigen zu verkaufen. Und das Problem geht tiefer: Die Entscheidung des Gerichts bekämpft – um im Bild zu bleiben – lediglich das Symptom. Die Reihenfolge, mit der Google Suchergebnisse ausspielt, legt allein Google fest, auf Grundlage eines Algorithmus, der von außen nicht zu durchschauen ist. Wer bei Google nach „Halsschmerzen“ sucht, landet schnell auf Seiten von Pharmafirmen, die ihre Medikamente verkaufen wollen. Transparente Informationen herrschen hier also auch nicht – sondern Googles Betriebsgeheimnis.

Das Urteil zeigt: Wenn Sie wissen wollen, ob Sie krank sind, fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Enteignen. Beide.