Klage gegen Discountkette: Nähen für Lidl bringt Hungerlohn
Verbraucherschützer und Menschenrechtler verklagen die Discountkette Lidl wegen niedriger Löhne, überlanger Arbeitszeiten und Diskriminierung in Textilfabriken in Bangladesh.
BERLIN taz | Elf Cent Arbeitslohn pro Stunde sind nicht viel. Nicht mal in einem armen Land wie Bangladesh. "Der Lohn reicht nicht aus, um eine durchschnittliche Familie zu ernähren. So berichtet etwa ein Arbeiter, dass seine Kinder abends ohne Essen schlafen gehen müssen", heißt es in der Klage, die die Verbraucherzentrale Hamburg jetzt gegen die Discountkette Lidl eingereicht hat. Erstmals verklagen Juristen damit ein Handelsunternehmen vor einem deutschen Gericht wegen der Arbeitsbedingungen bei Zulieferfirmen in der dritten Welt.
Initiiert haben das Verfahren am Landgericht Heilbronn die Kampagne für Saubere Kleidung und die Menschenrechtsorganisation European Center für Constitutional and Human Rights. In deren Auftrag besuchten Kontrolleure zwischen September 2009 und Januar 2010 vier Textilfabriken in Bangladesh, die Kleidung für Lidl produziert haben sollen. Indem sie die Arbeiter und Arbeiterinnen befragten, dokumentierten die Rechercheure diverse Missstände.
So würden die Näherinnen - meist Frauen - im Monat beispielsweise 2.700 Taka erhalten. Das entspricht umgerechnet etwa 27 Euro. Bezogen auf eine Arbeitszeit von 60 Stunden pro Woche ergibt dies einen Stundenlohn von elf Euro-Cent. Derartige Verdienste entsprächen zwar den Bestimmungen über Mindestlöhne in Bangladesh, reichten aber trotzdem nicht aus, um ein menschenwürdiges Leben zu führen, argumentieren die Kritiker. Außerdem würde den Arbeiterinnen oft ein Teil des Lohnes zur Strafe für vermeintliche Vergehen abgezogen.
Die Verbraucherschützer und Menschenrechtler erklären, dass dieses Verhalten der Zulieferer den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und dem Europäischen Programm für Sozialstandards (BSCI) widerspreche, dem Lidl beigetreten ist.
Lidl bietet zur Zeit Herrenhemden für 3,99 Euro und Hosen für 5,99 Euro an. Diese Verkaufspreise werden auch deshalb möglich, weil der niedrige Lohn der Näherinnen als Kosten kaum zu Buche schlägt.
Das Ziel der Klage ist es, der Discountkette bestimmte Werbe-Botschaften zu untersagen. "Lidl setzt sich für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen ein", ist etwa auf der Internetseite des Unternehmens zu lesen. Mit dem Hinweis auf die dokumentierten Missstände argumentieren die Verbraucherschützer und Menschenrechtler nun, diese Werbung sei "im höchsten Maße unlauter". Sie "suggeriert den Verbrauchern, dass Mindeststandards in den Zulieferbetrieben tatsächlich eingehalten werden. Dies ist nicht der Fall."
Zu den konkreten Vorwürfen im Hinblick auf die untersuchten Fabriken wollte sich das Unternehmen auf Anfrage nicht äußern. Lidl-Sprecherin Petra Trabert erklärte, dass das Handelsunternehmen in der Vergangenheit Berichten über verschiedene Missstände nachgegangen sei. Die Zulieferfirmen hätten dann "Verbesserungen umgesetzt". Zur aktuellen Kritik durch die Verbraucherzentrale könne man erst Stellung nehmen, wenn weitere Kontrollen in Bangladesh stattgefunden hätten.
Leser*innenkommentare
claudia
Gast
Lidl lohnt sich.
Vor allem für Dieter Schwarz.
Daniel
Gast
Endlich sind die Medien darauf aufmerksam geworden !
Das schlimme daran ist auch, das keiner davon provitiert ! Weder die Arbeitskräfte die dies nähen als auch die die diesen schrott kaufen. Es ist wie mit den Discounter Lebensmitteln, um so billiger das Produkt ist, um so weniger Nährstoffe sind darin.
Auf Grund dessen da Aldi und Lidl schon tausende firmen und Bauern auf brutal wirtschaftlichste weise ausgerottet hat kann man nur sagen das es der Deutschen Wirtschaft um einiges besser ging, würde es die Discounter nicht geben.
Und nicht nur der wirtschaft würde es besser gehen sondern auch uns würde das nicht zwicken, da man in normalen Supermärkten die selben produkte zum selben preis kaufen kann, man muss nur besser ins Regal gucken, doch dafür scheint deutschland schon zu dumm zu sein !
nette hanseatin
Gast
Wieso sollte Lidl, die ihre eigenen Leute nicht mal fair behandeln, das ausgerechnet bei Zulieferern tun. Mich wundert das nicht wirklich und ich boykottiere Lidl schon seit Jahren konsequent. Das geht, sogar mit HartzIV. Ich habe es praktiziert.
Claude
Gast
Finde es gut, dass solche Dinge immer wieder von den Medien angesprochen werden.
Nicht da kaufen, ist auch keine Lösung! Diejenigen, die sowas fordern, haben meist keine Ahnung, was es heißt, von Hartz IV zu leben! Das tragische ist allerdings, dass diese Menschen gerade konservativ wählen.
Und die mediale Beeinflussung wird immer perfider. Es ist fast unmöglich geworden, sich zu entziehen.
Der Mensch ist eben ein hoffnungsloser Fall. Wie sagt Frida im gleichnamigen Film so schön:
" I hope the exit is joyful and I hope never to return".
missy
Gast
Ganz klar: Verwerflich und unmoralisch. Aber eine Arbeitskraft in Deutschland kann auch oft NICHT vom Mindestlohn leben. Besonders dann, wenn noch nicht mal der Mindestlohn gezahlt wird. Wenngleich hier natürlich wahrscheinlich niemand hungernd zu Bett muss.
dada
Gast
nein, niemand ist auf solche billigklamotten angewiesen. es gibt second hand-shops, die 1. günstiger sind und 2. die neuproduktion nicht fördern. (und ja, natürlich wurden auch die klamotten mal produziert, trotzdem ist es besser, sie weiterzuverwenden anstatt sie zu vermüllen).
Franzi
Gast
I
Otto
Gast
Erst gestern lief auf NDR eine Reportage über die Näherinnen des KiK Discounter in Bangladesh.
Hier rächt sich die "Geiz ist Geil" Mentaltität und der ausgeweitete Niedriglohn hier im Lande, dessen Hartz IV Bezieher und Aufstocker keine andere Möglichkeit haben als eben dort zu kaufen.
dietah
Gast
Man kann es ja nie oft genug zitieren:
"Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden."
Zwar ziemlich plakativ, dafür eingängig und meistens... wahr.
Hans Maulwurf
Gast
Ja wie jetzt??
"Derartige Verdienste entsprächen zwar den Bestimmungen über Mindestlöhne in Bangladesh"
Sie "suggeriert den Verbrauchern, dass Mindeststandards in den Zulieferbetrieben tatsächlich eingehalten werden. Dies ist nicht der Fall."
Lidls Zulieferer zahlen also den Mindestlohn der aber nicht dem Mindeststandard entspricht?
Oder ist das auf "den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und dem Europäischen Programm für Sozialstandards (BSCI) widerspreche" bezogen?
Falls ja, wie lautet denn der Mindeststandard lt. ILO und BSCI?
Soll ich das etwa selbst recherchieren? Ich dachte GENAU DAS wäre Aufgabe einer Zeitung.
Na danke für nichts...
Amos
Gast
Die Dekadenz ist vom imperialistischen Kapitalismus und der Hörigkeit der Politik geschaffen. Wachstum um jeden Preis, schließt Korruption und Ausbeutung mit ein. Ein System kann nicht moralisch sein, indem man erwartet, dass andere niedergemacht werden müssen, damit man selbst bestehen kann. Will man Wachstum, dann muss das auch für alle gelten. Was soll den sonst
das ewige Wachstum für einen Sinn machen, wenn nur wenige davon profitieren. Man spricht stets von großer
Konkurrenz und macht zusehends höhere Gewinne. Dafür müssen dann große Teile der Bevölkerung verarmen. Wählt die "Bonzenzäpfchen" nicht mehr-, denn schlimmer kann es kaum noch werden-mit oder ohne Bonzenzäpfchen.