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Klage gegen Diplomaten abgewiesenEin bisschen Immunität gibt es nicht

Eine Hausangestellte beschuldigt einen Diplomaten, sie ausgebeutet und misshandelt zu haben. Ihre Forderung nach Entschädigung findet vor deutschen Gerichten aber kein Gehör.

Geschützt wie eine Kastanie: Diplomaten. Bild: clairette / photocase.com

BERLIN dpa | Diplomaten dürfen in Deutschland weiterhin nicht verklagt werden – unabhängig davon, welcher Taten sie beschuldigt werden. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat am Mittwoch die Klage einer Hausangestellten gegen ihren Arbeitgeber, einen saudischen Diplomaten, abgewiesen.

Die Indonesierin hatte angegeben, der Mann und seine Familie hätten sie anderthalb Jahre lang ausgebeutet und misshandelt. Sie forderte 70.000 Euro Entschädigung.

Die Immunität von Diplomaten ist im Wiener Übereinkommen von 1961 geregelt. Demzufolge genießen nicht nur ausländische Diplomaten in Deutschland, sondern auch deutsche Diplomaten im Ausland Schutz. Dieses Übereinkommen sei höher zu werten als mögliche Rechtsverletzungen gegen Einzelne, entschied das Landesarbeitsgericht. Es bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz, ließ jedoch die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht zu.

"Man kann nicht ein bisschen Immunität gewähren", sagte Richter Martin Dreßler. "Wer da die Axt anlegt, legt auch die Axt an die diplomatischen Beziehungen." An der Sicherung der diplomatischen Beziehungen Deutschlands bestehe ein "überragendes Gemeinwohlinteresse". Allein schon das Gerichtsverfahren, das zur Klärung der Vorwürfe nötig sei, stelle eine Verletzung der Immunität dar. Es sei dem Beschuldigten daher nicht zuzumuten, sich darauf einzulassen.

Die Hausangestellte hatte nach eigenen Angaben von April 2009 bis Oktober 2010 fast rund um die Uhr für den Diplomaten und seine Familie arbeiten müssen. Sie sei beschimpft und geschlagen worden. Den vereinbarten Lohn habe sie nicht erhalten. Mit fremder Hilfe sei ihr die Flucht gelungen.

Sie wandte sich an die Beratungsstelle Ban Ying in Berlin. Die Mitarbeiterinnen unterstützten sie. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte - ein gemeinnütziger Verein, gegründet auf Beschluss des Bundestages - hält ihre Geschichte für glaubwürdig. Um zu klären, wie Betroffenen von Menschenhandel und Ausbeutung ein Rechtsweg in Deutschland eröffnet werden kann, finanziert das Institut die Klage. Die Frau ist inzwischen wieder in ihrem Heimatland.

Die Organisation kündigte an, in Revision zu gehen und notfalls eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Heike Rabe, Koordinatorin des Projekts "Zwangsarbeit heute" des Menschenrechtsinstituts, bedauerte die Klageabweisung des Landesarbeitsgerichts. Frauen wie die Indonesierin könnten nirgendwo ihre Ansprüche geltend machen. Die Fälle gebe es immer wieder.

Zwar stehe den Opfern offiziell der Klageweg im Heimatland des Diplomaten zu. Sie halte es aber für unrealistisch, dass eine ausländische Frau in Saudi-Arabien erfolgreich vor Gericht ziehen könne. "Ihr steht kein Weg offen", sagte Rabe.

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7 Kommentare

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  • R
    Richter

    Da über die Verfassung kein - wie vereinbart und vorgesehen - Referendum abgehalten wurde und sie deshalb nur ein (provisorisches) Grunzgesetz ist, müssen alle Urteile deutscher Gerichte aufgehoben werden und alle Politiker, Richter, Staatsanwälte und Polizisten gehören wegen ihrer Anmaßung von "Rechtssprechung" und Machausübung vor internationale Gerichtshöfe,

  • EM
    eine Meinung

    aha, ein überragendes Gemeinwohlinteresse also.

    Man kann sich rechtlich also alles erlauben, bis man abberufen wird?

    Oder macht halt weiter....

    "Es schütze auch deutsche Diplomaten im Ausland".

    Die machen sowas hoffentlich nicht!

    Dann muss eben der alte Zopf von 1961 erweitert werden.

    Wird Zeit mal dieses Tabu anzugehen und den Immunitäts-Filz aufzubrechen. Ich drücke die Daumen!

  • WR
    Weiße Rose

    Einmal mehr wird einem klar, wo alle Gerichtsbarkeit ihre Wurzeln hat: Im feudalen Gesellschaftssystem, als Leibeigenschaft verbreitet an der Tagesordnung war!

    Bis heute entscheiden die Gerichte im Zweifel immer im Sinne einer hochherrschaftlichen Ordnung. Wen interessieren da schon die Rechte einer indonesischen Hausangestellten in einer Diplomatenvilla?

    Na, jedenfalls müssen wir uns keinen Illusionen hingeben, wo wir nach wie vor leben!

  • J
    Jorge

    Artikel 1

     

    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. VON WEGEN!!!!

     

    (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

     

    (3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

     

    Ja, Deutschland schafft sich ab... mit sämtlichen Lügen.

  • K
    KFR

    wi(e)derspricht dem übergordneten Gleichbehandlungs-Grundsatz der Verfassung ( "niemand" darf bevorzugt oder benachteilgt werden ), allerdings sind

    Botschaften exteritoriale Gebiete ( nicht zuständig ) und Details für Arbeits-Verträge ( es gilt deutsches Recht und Rechtsprechung ) könnten frei vereinbart/ angeregt werden.

    Weiss jemand wieviele Verfahren mit Beteiligung von Diplomaten eingestellt wurden ??

  • IN
    immu nität

    Wenn ausländische Arbeiter ihren Vertrag elektronisch aus STANDARDFORMULIERUNGEN die IM VORAUS vom EU-Verfassungsgericht definiert wurden, hinterlegen muss, gäbe es das Problem nicht.

    Aber das war Rot-Grün 1999 wohl zu kompliziert und man hat lieber ELENA beschlossen. Bei mir wäre Elena gelaufen. Für funktionierende Software hat man manchmal auf Dauer leider mehr Ärger als wenn man ständig teuer nachbessern muss :-(

     

    Man sieht auch wieder mal, warum man anonyme Meldesysteme bräuchte die keine Presse, Partei oder Gewerkschaft einführen möchte :-(

    Es gibt ein Interview mit Donna Leon (die mit den Krimis). Es ist sehr aufklärend was sie über ihre Auslandsarbeit in Saudi-Arabien sagte.

    Dubai und andere arabische Länder sind da viel besser und weltoffener und man kann z.B. als Bau-Ingenieur wohl sehr gut leben. Wenn man sein Geld nicht für (dort sicher teuren oder schlecht erhältliches) Schweinefleisch und Alkohohl verprassen muss.

     

    Wenn die Presse die Geschichte immer wieder aufkocht, bis die Frau bezahlt wird, und auf allen Fotos in der Presse aller saudischen Diplomaten an diesen Fall erinnert wird und der Chef einer deutschen Firma neben dem Bruder des Lohndrückers auf dem Foto steht und natürlich voll genannt wird, regelt sich die Sache vermutlich. Und dies mal sogar ohne Juristen- und Beraterkosten wie sonst hier üblich.

    Das das Geld nur per Treuhandkonto Ratenweise übers Leben ausgezahlt wird, sollte klar sein. Siehe Taz über den Indischen Quizz-Show-Gewinner. Aber das sind Details.

    Per se ist der Diplomatenschutz aber in Ordnung. Durch neue Methoden ist physische Anwesenheit aber oft nicht mehr nötig und man müsste die Abkommen überarbeiten. Die neuen Staaten (arabischer Frühling) würden dann die neuen Abkommen betreiben und ihre Konsulate transparent zum Bruchteil betreiben.

  • W
    wtf

    Ich halte das recht auf diplomatische Immunität für überholt.

     

    Wo liegen denn bitte die Vorteile?

     

    Jeder mensch sollte sich an die Gesetze eines Rechtstaates halten müssen. Und wenn es sich nicht um einen solchen handelt, dann kann man sich ja schließlich auch nicht auf die Immunität verlassen.

     

    Oder übersehe ich da etwas?