piwik no script img

Kitsch oder FriedensengagementFriedenstunnel stiftet Unfrieden

Der Rembertitunnel soll "Zeichen interreligiösen Dialogs" werden. Die jüdische Gemeinde will dabei nicht mitmachen. Doch die Initiatoren ignorierten dies, klagt sie.

"Ein Zeichen für den interreligiösen Dialog" will das Projekt Friedenstunnel setzen. Bild: kawe

Wenn sich am Samstag die Terroranschläge von New York zum zehnten Mal jähren, dann ist das auch der Jahrestag für ein Bremer Kunstprojekt: Die Umgestaltung des Rembertitunnels zum "Zeichen der Verbindung zwischen den Religionen". Am Dienstag zog die Initiatiorin, die Künstlerin Regina Heygster, bei einer Pressekonferenz im Rathaus eine Zwischenbilanz. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) dankte ihr, und die Vertreter von fünf Religionsgemeinschaften fanden warme Worte.

Die jüdische Gemeinde nicht. Denn im Gegensatz zu den übrigen großen Religionen mochte sie dem nimmermüden Werben Heygsters nicht nachgeben. Warum - das wäre eine Angelegenheit zwischen dem Gemeinde und der sendungsbewussten Aktionskünstlerin geblieben. "Wir haben schon vor 2001 klargemacht, dass wir beim Rembertitunnel nicht selbst mitmachen wollen", sagt Gemeindevorstand Gregori Pantijelew. Lediglich das Bekenntnis zu "ideeller Unterstützung" habe man sich abgerungen. Doch Heygster mochte die höfliche Abfuhr offenbar nicht hinnehmen: Bis heute prangt die Menora, der jüdische Kerzenhalter, neben den Symbolen der übrigen Religionen auf der Website des Rembertitunnel-Vereins, die jüdische Gemeinde wird mit Adresse und Namen unter "Links" geführt - es soll suggeriert werden, dass auch die Jüdische Gemeinde Bremen beim Rembertitunnel mit im Boot sind.

In der Gemeinde herrscht Unmut darüber, dass Heygster die Weigerung nicht habe akzeptieren wollen. Gestern haben die Vorsitzende Elvira Noa und Vize Pantijelew einen Brief an Heygster geschrieben. "Es tut uns leid, dass in die Öffentlichkeit getragen wurde, was wir von ihrer künstlerischen Idee halten", heißt es darin. "Kitsch" sei die und habe "nichts mit interreligiösem Dialog zu tun".

Genau das war vor kurzem schon in einem Interview zu lesen, das Noa dem Weser-Kurier gegeben hatte.

Man habe sich dazu "bemüßigt gesehen", öffentlich seine Meinung zu dem Tunnel zu sagen, weil Heygster immer wieder den Eindruck erweckt habe, die Juden seien Teil der Rembertitunnel-Initiative. Unmittelbar nach Erscheinen des Interviews gab Heygster per Leserbrief im Weser-Kurier kontra: "Die jüdische Gemeinde beteiligt sich nicht am interreligiösen Dialog." Bezogen war dies auf den Umstand, dass die Gemeinde sich nicht mit auf ein Podium gesetzt hatte, das Heygster im Rahmen ihrer Tunnel-Aktivitäten im Februar im Rathaus organisiert hatte. Eine Reihe weiterer Leserbriefschreiber stieß ins gleiche Horn. Tunnel-kritische Leserbriefe seien hingegen nicht gedruckt worden, klagt Pantijelew.

"Wir sind im interreligiösen Dialog seit Jahren aktiv", sagt er, das gelte auch für die sogenannte Friedensarbeit. Heygster falle es offenbar schwer, zu akzeptieren, wenn man ihr Projekt nicht zu den eigenen Prioritäten zähle. "Wir fordern Sie auf, künftig nicht mehr den Namen oder die Symbolik der Jüdischen Gemeinde Bremen zu verwenden."

Heygster reagierte gestern schockiert auf den Brief, wollte sich gegenüber der taz aber nicht äußern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • KS
    K. Schulz

    Leserbrief zum Artikel „Friedenstunnel stiftet Unfrieden“ vom 7.09.2011

     

    Es ist ja nun hinlänglich bekannt, dass die Existenz von verschiedenen Religionen seit Jahrhunderten häufig zu Unfrieden geführt hat, aus den unterschiedlichsten Gründen. Umso begrüßenswerter ist es doch, dass dieses Projekt sich zur Zielsetzung gemacht hat, den interreligiösen Dialog zu fördern und sich dafür einzusetzen!

    Ich bin über 2 Jahre Mitarbeiterin in diesem Verein gewesen und obwohl sich mir, als überzeugte Atheistin, anfänglich nicht erschlossen hat, inwiefern ein Tunnel zum Frieden beitragen kann, so kam ich doch schnell zu der Überzeugung, dass es ganz egal ist auf welche Art und Weise man sich engagiert, sofern man es nur tut. Darüber reden ist einfach!

    Frau Heygster und auch alle anderen Religionsvertreter und Mitglieder haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass die jüdische Gemeinde lediglich ihr Symbol und ihr Zeichen zur Verfügung stellen, sich aber selbst nicht aktiv beteiligen möchten. Es wurde immer respektvoll mit dem Wunsch der jüd. Gemeinde umgegangen. Es ist auch nicht richtig, dass Frau Heygster bereits vor 2001 an die jüdische Gemeinde heran getreten ist, denn die Idee zu diesem Projekt entstand erst nach dem 11. September 2001!

    Frau Heygster ist alles andere, als eine penetrante, nach Presse heischende Friedensaktivistin, die mit ihren Mitstreitern andere belästigen, um sie für ihr Projekt zu begeistern. Jedem dürfte wohl klar sein, dass einer guten Öffentlichkeitsarbeit bedarf, um für so ein spezielles Projekt zu begeistern und zu interessieren. Jeder kann die Möglichkeit nutzen andere Religionen kennen zu lernen!

    Ich kann nicht einschätzen, ob die Beweggründe einiger Diffamierungen schlicht und ergreifend auf Neid basieren, weil man dieses Projekt für kitschig hält und feststellen musste, dass es doch sehr erfolgreich ist und sogar für den „Deutschen Engagementpreis 2011“ nominiert wurde.

    Es ist ja auch völlig in Ordnung, wenn man dieses Projekt nicht mag, aber es sollte kein Grund sein einer Frau, die ich nur als warmherzige, sehr engagierte Person kennen gelernt habe und die sich mit ganzem Herzen und Einsatz der Sache widmet, dermaßen in den Rücken zu fallen und somit auch allen anderen Religionsvertretern und Mitstreitern!

    Etwas zu verurteilen, was man nicht versteht, oder mag scheint da wohl der einfachste, wenn auch nicht fairste Weg zu sein!

     

    K. Schulz

  • FS
    Friedrich Schmidt

    Für mich ist es vollkommen in Ordnung, wenn Menschen sich nicht für das auch in meinen Augen kitschige und selbstdarstellerische Friedenstunnelprojekt engagieren wollen. Die Tunnelinitiative ist nicht einmal in der Lage, die unmittelbaren Nachbarn des Tunnels einzubeziehen, die durch nächtliche Tunnel-„Verschönerungs“-bauarbeiten und Mosaikeinweihungen mit Kaufhausmusik genervt werden. Einem friedlichen Zusammenleben ist das nicht zuträglich. Oder ist das interreligiöser Dialog? Vielleicht kann ich als Angehöriger der größten Gruppe in Bremen, als Konfessionsfreier, das auch nicht verstehen? „Hühnermist ist das Glück des Kleingärtners“ stand für kurze Zeit am Tunneleingang. In diesem Sinne, mit freundlichen Grüßen

    Friedrich Schmidt

  • KS
    K. Schulz

    Leserbrief zum Artikel „Friedenstunnel stiftet Unfrieden“ vom 7.09.2011

     

    Es ist ja nun hinlänglich bekannt, dass die Existenz von verschiedenen Religionen seit Jahrhunderten häufig zu Unfrieden geführt hat, aus den unterschiedlichsten Gründen. Umso begrüßenswerter ist es doch, dass dieses Projekt sich zur Zielsetzung gemacht hat, den interreligiösen Dialog zu fördern und sich dafür einzusetzen!

    Ich bin über 2 Jahre Mitarbeiterin in diesem Verein gewesen und obwohl sich mir, als überzeugte Atheistin, anfänglich nicht erschlossen hat, inwiefern ein Tunnel zum Frieden beitragen kann, so kam ich doch schnell zu der Überzeugung, dass es ganz egal ist auf welche Art und Weise man sich engagiert, sofern man es nur tut. Darüber reden ist einfach!

    Frau Heygster und auch alle anderen Religionsvertreter und Mitglieder haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass die jüdische Gemeinde lediglich ihr Symbol und ihr Zeichen zur Verfügung stellen, sich aber selbst nicht aktiv beteiligen möchten. Es wurde immer respektvoll mit dem Wunsch der jüd. Gemeinde umgegangen. Es ist auch nicht richtig, dass Frau Heygster bereits vor 2001 an die jüdische Gemeinde heran getreten ist, denn die Idee zu diesem Projekt entstand erst nach dem 11. September 2001!

    Frau Heygster ist alles andere, als eine penetrante, nach Presse heischende Friedensaktivistin, die mit ihren Mitstreitern andere belästigen, um sie für ihr Projekt zu begeistern. Jedem dürfte wohl klar sein, dass einer guten Öffentlichkeitsarbeit bedarf, um für so ein spezielles Projekt zu begeistern und zu interessieren. Jeder kann die Möglichkeit nutzen andere Religionen kennen zu lernen!

    Ich kann nicht einschätzen, ob die Beweggründe einiger Diffamierungen schlicht und ergreifend auf Neid basieren, weil man dieses Projekt für kitschig hält und feststellen musste, dass es doch sehr erfolgreich ist und sogar für den „Deutschen Engagementpreis 2011“ nominiert wurde.

    Es ist ja auch völlig in Ordnung, wenn man dieses Projekt nicht mag, aber es sollte kein Grund sein einer Frau, die ich nur als warmherzige, sehr engagierte Person kennen gelernt habe und die sich mit ganzem Herzen und Einsatz der Sache widmet, dermaßen in den Rücken zu fallen und somit auch allen anderen Religionsvertretern und Mitstreitern!

    Etwas zu verurteilen, was man nicht versteht, oder mag scheint da wohl der einfachste, wenn auch nicht fairste Weg zu sein!

     

    K. Schulz

  • FS
    Friedrich Schmidt

    Für mich ist es vollkommen in Ordnung, wenn Menschen sich nicht für das auch in meinen Augen kitschige und selbstdarstellerische Friedenstunnelprojekt engagieren wollen. Die Tunnelinitiative ist nicht einmal in der Lage, die unmittelbaren Nachbarn des Tunnels einzubeziehen, die durch nächtliche Tunnel-„Verschönerungs“-bauarbeiten und Mosaikeinweihungen mit Kaufhausmusik genervt werden. Einem friedlichen Zusammenleben ist das nicht zuträglich. Oder ist das interreligiöser Dialog? Vielleicht kann ich als Angehöriger der größten Gruppe in Bremen, als Konfessionsfreier, das auch nicht verstehen? „Hühnermist ist das Glück des Kleingärtners“ stand für kurze Zeit am Tunneleingang. In diesem Sinne, mit freundlichen Grüßen

    Friedrich Schmidt