Kita-Schulden: Wenn aus 338 Euro 597 werden
Städtischer Kita-Träger treibt säumige Gebühren mittels einer Anwaltsfirma ein. Für die Betroffenen steigert das die zu zahlenden Beträge.
Das Nichtbezahlen von Kita-Gebühren kann sehr teuer werden. Der taz ist der Fall einer Mutter von drei Kita-Kindern bekannt, die im Jahr 2010 – als es wegen der Erhöhung der Essensgebühren viel Verwirrung gab – mit insgesamt 338 Euro in Rückstand geriet. Die stadteigene Vereinigung der Kindertagestätten beauftragte daraufhin die Rechtsanwaltsfirma Mumme & Partner mit der Eintreibung. Und die verlangt für ihre Dienste Gebühren.
Die zurzeit arbeitslose Kassiererin ließ sich auf Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt 390 Euro ein. Als diese abgezahlt waren, dachte sie, die Sache wäre erledigt. Im Oktober nun kam dann ein neuer Brief der Rechtsanwälte mit Sitz im mecklenburgischen Sumte: Fällig seien weitere 207 Euro, darunter allein 80 Euro für die Ratenvereinbarung, dazu Gebühren für Anwaltsbriefe, Kontoführung und Zinsen. In der Summe sind das 597 Euro – viel Geld für die fünfköpfige Familie, die vom Küchenhelfer-Gehalt des Vaters lebt.
Die Vereinigung, mit 178 Kitas größter Träger der Stadt, bittet um Verständnis für ihre Inkasso-Politik. „Die Zahlungsmoral der Eltern wird immer schlechter“, sagt Geschäftsführerin Franziska Larrá, und würde noch schlechter, treibe man die Kita-Schulden nicht ein. Ehe man aber das Anwaltsbüro einschalte, vergehe oft ein halbes Jahr: zunächst erinnerten die Kita-Leitungen mündlich und schriftlich an die fällige Zahlung, später hake die Zentrale nach. „Wir sind wirklich langmütig“, sagt Larrá.
Der Linken-Abgeordnete Mehmet Yildiz nennt das Vorgehen indiskutabel. Kitas sollten immer erst das Gespräch suchen und rechtliche Schritte, die ja die Kinder belasteten, nur in begründeten Einzelfällen wählen, sagt er: „Der Einsatz von Inkassofirmen verbietet sich ganz.“
Den sehen auch Schuldnerberatungsstellen kritisch: Bei Ratenzahlung bleibe manchen Betroffenen nicht mal mehr genug Geld zum Essen, berichtet Peter Ogon vom Fachbereich Existenzsicherung der Diakonie. Man rate Betroffenen meistens dazu, „solche Ratenzahlungsvergleiche nicht zu unterschreiben“ und die Raten lieber direkt an den ursprünglichen Gläubiger zu überweisen. Eine Anfrage der taz bei der beteiligten Anwaltskanzlei, die unter anderem für den HVV arbeitet, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die Linksfraktion will das Thema in der Bürgerschaft aufgreifen, sieht sie doch in Kita-Schulden ein stadtweites Armutsproblem. „Ich weiß von Kitas, die fünfstellige Außenstände haben“, berichtet die Harburger Abgeordnete Sabine Boeddingshaus. „Die Sozialbehörde rät ihnen nur, sie sollten die Kinder abmelden.“
Das weist Sprecherin Nicole Serocka zurück: Die Kita-Abrechnungsstelle habe „zu keinem Zeitpunkt geraten, Kinder aus der Kita zu nehmen“. Es sei aber verständlich, dass die Träger versuchten, die Gebühren einzutreiben. „Sonst können sie ihre Kosten nicht decken.“
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