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Kita-Leiterin über den Ausbau„Ich hätte lieber kleinere Gruppen“

In Karin Polats Kita betreuen drei Erzieherinnen 16 Kinder, sie hätte lieber kleinere Gruppen. Doch der Trend geht in die andere Richtung. „Schrecklich“, sagt die Kita-Leiterin.

„Immer ein Schoß und ein Arm frei“: In kleinen Kita-Gruppen verliert niemand den Überblick. Bild: dpa
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Frau Polat, der Chef des Städtebundes, Gerd Landsberg, schlägt vor, Kitagruppen zu vergrößern, wenn ab August 2013 mehr Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben. Wie finden Sie das?

Karin Polat: Schrecklich. Wir haben fünfzig Kinder, nur zehn sind deutsche Muttersprachler. In größeren Gruppen könnten wir uns nicht mehr individuell um den Spracherwerb kümmern. Die Kinder müssen auch gut spielen können, das heißt, dass immer jemand ein Auge drauf hat. Das alles wäre in Gefahr. Außerdem legt ja die Landesregierung den Schlüssel der Kinder pro Erzieherin fest. Und der ist im Moment schon knapp berechnet. Wir haben drei Erzieherinnen für 16 Kinder unter drei Jahren. Mehr geht nicht.

Die Landesregierung könnte den Schlüssel aber verändern, um Klagen zu vermeiden.

Nein. Eine Krippe mit zu vielen Kindern pro Erzieherin bekommt keine Betriebserlaubnis von der Kitaaufsicht. Das hat pädagogische Gründe: Für so kleine Kinder muss immer ein Schoß und ein Arm frei sein, damit sie sich geborgen fühlen. Oder stellen Sie sich vor, zwei Kinder geraten aneinander und die Erzieherin bekommt das gar nicht so schnell mit, weil sie noch so viele andere Kinder hat. Das wäre absolut verantwortungslos. Das geht nicht. Der Stress wäre einfach zu groß. Dann werden die Erzieherinnen krank, und es wird ein Teufelskreis. Wir können die Räume auch nicht einfach überbelegen.

Was ist in Ihrer Kita für den Krippenausbau geplant?

Wir sollten eigentlich im Erdgeschoss Räume dazubekommen. Leider werden die nun erst in zwei Jahren frei. Wir können also nächstes Jahr nicht mehr Plätze anbieten. Unsere Kita ist in einem Wohnhaus untergebracht, da kann man nicht einfach anbauen. Und hier oben im ersten Stock kann ich keinesfalls mehr Kleinkinder aufnehmen, die kommen ja die Treppen allein noch nicht herunter.

Die Interviewte

KARIN POLAT, 57, leitet die Kita „Schmetterling“ in Berlin-Moabit, einem sogenannten sozialen Brennpunkt. Die Kita wird von der Arbeiterwohlfahrt betrieben.

Ist der Schlüssel eins zu fünf gut für so kleine Kinder – oder hätten Sie gern mehr Spielraum?

Ich hätte gern generell eine kleinere Gruppe: acht Kinder und zwei Erzieherinnen, damit der Trubel nicht zu groß wird. In die Richtung muss es gehen und nicht in die entgegengesetzte.

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5 Kommentare

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  • B
    Betreuungsschlüssel

    Ich kenne miese Betreuungsschlüssel, ich kenne ErzieherInnen und ich habe Kinder.

     

    Ich kann die Forderung nach besseren Betreuungsschlüssel nur unterstützen. In Sachsen wird eine Vollzeitkraft auf 13 Kindergartenkinder bzw. eine Vollzeitkraft auf 6 Krippenkinder gerechnet, also 1:13 und 1:6. Das wirklich schlimme daran ist allerdings, dass in diesem Schlüssel Urlaub, Krankheit und Fortbildung mit drin sind. Das bedeutet, dass der Schlüssel in der Praxis wesentlich schlechter ausfällt. Zumal ja auch viel Schreibtischarbeit und andere Dinge gefordert werden: Qualitätsmanagement, Supervision, Dokumentation der Kindesentwicklung, Feste vorbereiten, Elterngespräche, Schulanfänger vorbereiten und in Schulen schnuppern etc.

     

    Von fünf Vollzeitkräften ist rechnerisch eineR immer nicht da bzw. nicht in der Gruppe!

    Die Ansprüche bezüglich der Öffnungszeiten werden auch immer größer, daher ist es personaltechnisch mehr als sinnvoll, auch Teilzeitkräfte zu engagieren, sodass zu Stoßzeiten die Betreuung von mehreren übernommen werden kann und früh morgens bzw. gegen Abend hin nur noch ausreichend Betreuer da sind. Mehr Teilzeit bedeutet auch mehr Menschen in die Kommunikation einbeziehen etc.

     

    Manche Bundesländer sind einem guten bzw. ausreichenden Betreuungsschlüssel schon sehr nahe, verlangen aber noch mehr und andere arbeiten seit Jahrzehnten mit diesen schlechten Betreuungsschlüsseln und bewegen sich nicht ein Stück in eine ausreichende Richtung, betreuen aber die Kinder dennoch in vielen Einrichtungen auch gut.

     

    Es wäre schön, wenn die Bundesländer sich da angleichen würden.

     

    Persönlich halte ich nichts von sehr kleinen Gruppen ab dem Kindergartenalter, denn in kleinen Gruppen ist es für Kinder manchmal sehr, sehr schwer "Freunde" zu finden. Manchmal gibt es dann vielleicht gar kein Kind im gleichen Alter, Entwicklungsstand oder Geschlecht oder eben nur eine winzige Auswahl, wo die Chemie dann nicht passt. Es sollten pro Altersklasse schon mind. zwei Kinder je Geschlecht geben und das ist doch schon sehr wenig. Altersgemischte Gruppen halte ich für unabdingbar, zumal die Interessen und Entwicklungen ja sehr unterschiedlich sind und diese durch die Diversität der Kinder nur gefördert werden können (eben wie in einer Großfamilie).

     

    Eine Kindertageseinrichtung wird aber niemals einer Betreuung in einer Familie gleich kommen können. Meines Erachtens kann das auch nicht verglichen werden. Daher ist es mir auch fremd, wenn ErzieherInnen oder Eltern eine fast 1:1-Betreuung einfordern. Das können die Eltern gerne organisieren, kostet aber eben entsprechend. Aber es wollen ja alle einen kostenfreien Kitaplatz. Auch darüber wäre nachzudenken, aber sicher nicht für eine 1:4-Betreuung. Denn das ist finanziell nicht machbar, zumindest nicht von Seiten der Kommunen. Dann müssten sich schon wirklich wieder Familien zusammentun und zwei ErzieherInnen engagieren. Wenn dann nur Personalkosten anfielen, die ja in Deutschland unterdurchschnittlich sind, dann geht es schon um einen Betrag von mind. 50.000 € pro Jahr. Sprich 1.000 € je Kind! Ohne Miete, ohne Betriebs- und Sachkosten.

     

    Das Angebot einer kommunalen Ganztagsbetreuung für Kinder muss es geben, aber die Eltern müssen sich auch im Klaren sein, unter welchen Bedingungen das politisch und finanziell möglich ist und nicht ständig nur rummeckern, denn: sie können ja wählen und zuhause bleiben mit und bei den Kindern. Eine Kitapflicht fände ich nicht tragbar.

     

    Und nichtsdestotrotz gibt es hier und dort ErzieherInnen, die ihre Arbeit sehr gut machen und bei denen die Kinder sehr wohl gut aufgehoben sind und es gibt ErzieherInnen, denen unabhängig von einem Betreuungsschlüssel Kinder eigentlich nicht anvertraut werden dürften.

     

    Und ja: Die Ausbildung ist in Deutschland miserabel..

     

    Es gibt viel zu tun!

  • M
    miko

    Und wenn ich als Erzieher (bitte auch mal andersrum gendern) nun in der Einrichtung etwas sage, dann werde ich als nichtswissend tuteliert. Bin ja nur ein Mann, der hat ja eh keine Ahnung von Kindern. Finanzierung dieser ARbeit ist mies, dass wissen wir alle. Die Ausbildung zum Erzieher ist lachhaft, wer das anders sieht gehört in meinem manchmal dogmatischem Weltbild nicht in die Nähe eines Kindes. Um Geld zu sparen werden nun eben keine Erzieher/innen eingestellt sondern Sozialassistenten/innen oder Kinderpfleger/innen.

    Heute noch gehört, ein Junge aus Togo das 2. mal in der Kita: "Wir hatten doch schon so einen Jungen." Auf meine Frage was sie/er damit meinte kam nur eine Beleidigung.

    Streß und Überforderung sind keine Entschuldigungen für jedes Verhalten.

    Liebe Eltern macht Druck und beschwert euch. Es geht um EURE KINDER verdammt noch mal.

  • T
    Towanda

    @ Katharina, habe das die gleichen Erfahrungen gemacht. Außerdem wohnte ich lange einem Kindergarten gegenüber. Die Kinder schmißen sogar ungestört Steine über den Zaun auf parkende Autos. Keine Entschuldigung von der KiTa, sondern: Naja, es seien halt kleine Kinder. Die Erzieherinnen standen nur unten am Gebäude und quatschten, dabei war das Gelände groß.

  • K
    Katharina

    Schön, dass auch auf der Seite der Kitas mal jemand aufsteht und den politisch verzapften Betreuungswahn nicht bedingungslos schönredet. Meine Tochter habe ich ganz bewusst nicht in eine Krippe gegeben, weil die notwendige Aufmerksamkeit für ein Kind dieses Alters (bis 3 Jahre) dort einfach nicht gegeben ist. Das ist nicht (nur) die Schuld der Erzieher - es ist die Schuld des Systems, das nichts anderes möglich macht und geradezu irrwitzige Betreuungsschlüssel vorgibt bzw. zulässt. Im Kindergarten (also für Kinder ab 3) sieht es übrigens nicht besser aus. Meine Tochter besucht nun, mit 4 Jahren, eine städtische Kita in Hamburg-Nord, und ich kann nicht behaupten, dass ich das Gefühl habe, sie werde da gut betreut. Wenn ich sie abhole, erlebe ich die sonderlichsten Situationen. Eine Betreuungsperson mit 40 Kindern auf dem Spielgelände - und mittendrin ein Lastwagen, der herumrangiert und in einem Teil des Geländes zum Aufbau neuer Spielgeräte benötigt wird. Wie schnell ist da ein Kind buchstäblich "unter die Räder" gekommen? Oder: Meine Tochter hängt im Klettergerüst fest, kommt nicht vor und zurück und das offenbar schon länger, heult und ist schon knallrot im Gesicht – und niemand bekommt mit, dass sie Hilfe braucht. Alle Erzieher stehen im Grüppchen zusammen, palavern und halten das Gesicht in die Sonne. Wie gut, dass ich gerade mal wieder zum Abholen vorbeikam und sie runterpflücken konnte. Was wäre wohl sonst passiert? Ich mag es mir nicht ausmalen. Und das sind nur ausgewählte Beispiele, da gäbe es noch mehr. Wenn also DAS die Betreuungsrealität in deutschen Kitas ist, dann kann ich niemandem guten Gewissens empfehlen, sein Kind dort abzugeben - schon gar nicht in einem Alter, in dem es sich nicht selbst verständigen kann.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Verhältnis muss stimmen

    Nicht Massenbetreuung ist in den Kitas angesagt,sondern personen bezogene Betreung,Eine Kita Gruppe sollte von einer Erzieherin,beziehungsweise einem Erzieher,einer Sozialssistentin und einer Praktikanten betreut werde.Dies wäre der richtige Personalschlüssel,den es in vorigem Jahrhundert gab.