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Kita-DemonstrationKinder lernen protestieren

12.000 kleine und große Menschen gehen für mehr Betreuung in den Kitas auf die Straße. Zwischen Luftballons wird geklatscht, gesungen und der Bauch gestreichelt.

Jede Menge Nachwuchspolitiker vor dem Roten Rathaus Bild: dpa

Levin läuft ganz vorne mit. Der junge Mann mit den schulterlangen dunklen Locken geht für mehr Bildung auf die Straße und pustet ständig in seine Trillerpfeife. Doch die Forderungen des Protests interessieren ihn nicht so: "Guck mal, Oma, der Fernsehturm, sooo hoch", ruft Levin, der zum ersten Mal auf einer Demo ist. Kein Wunder: Er ist erst fünf Jahre alt.

Zusammen mit laut Veranstalter 12.000 ErzieherInnen, Eltern und Kindern demonstriert er am Dienstagnachmittag vor dem Roten Rathaus. Unter dem Motto "Auf die Kleinen kommt es an" fordern sie mehr Personal für die Kitas.

Kinder fördern will gelernt sein

Der Senat will Kinder besser unterstützen, gibt dafür aber aus Sicht der Eltern nicht genug Geld aus. Zudem verzichte er freiwillig auf Kita-Beiträge von Besserverdienern

Das Ziel ist groß und politisch wenig umstritten: Kinder sollen schon vor der Schule unabhängig vom familiären Hintergrund in Kitas bestmöglich gefördert werden. Entsprechende Leitlinien hat der rot-rote Senat bereits 2005 auf 130 Seiten im Berliner Bildungsprogramm festgelegt. Die Praxis aber ist deutlich weniger harmonisch: Eltern, Erzieherinnen und Oppositionsparteien werfen dem Senat vor, viel vorzuschreiben, aber nicht das nötige Geld dafür auszugeben.

Das Personal: Die Personalausstattung sei seit 30 Jahren nicht verbessert worden, kritisierten schon im Juni Eltern, Erzieher und die Gewerkschaft GEW. Im Schnitt betreut in Berlin eine Erzieherin oder ein Erzieher 18 Kinder. Nach GEW-Schätzung sind 1.500 bis 2.000 neue Stellen notwendig.

Das Sprachlerntagebuch: Zu den zusätzlichen Aufgaben des Kita-Personals gehört es, die Sprachentwicklung der Kinder zu dokumentieren. Das soll im 2006 eingeführten Sprachlerntagebuch passieren. In einem Vorwort von Bildungssenator Zöllner heißt es: "Gehen Sie auf die Erzieherinnen zu, wenn es Unklarheiten gibt, Sie Informationsbedarf haben oder sich darüber austauschen wollen, wie die Sprachentwicklung unterstützt werden kann." Woher das Kita-Personal die Zeit dafür nehmen soll, schreibt er nicht.

Die Klage: Um mehr Geld für die Bildung zu erzwingen, strebt der Landeselternausschuss Kita (Leak) ein Volksbegehren an. Der Senat aber hatte eine solche Abstimmung abgelehnt: Sie greife zu tief in die Budgethoheit des Parlaments ein. Die Initiatoren zogen vor das Verfassungsgericht, das am 6. Oktober entscheiden will. Bei der mündlichen Verhandlung deutete sich ein Erfolg der Initiative an.

Die Kita-Gebühren: Der Senat muss 2010/2011 über 5 Milliarden Euro neue Schulden machen. Nichtsdestotrotz hält Rot-Rot daran fest, die Kita-Beiträge - außer für die Krippe - komplett zu streichen. Die Fraktionschefin der Linkspartei, Carola Bluhm, hatte im Juli angeregt, zumindest die Besserverdienenden weiter bezahlen zu lassen. Bei der entscheidenden Abstimmung im Senat vor 14 Tagen stimmte ihre Partei aber der Beitragsfreiheit zu. In einer Umfrage des Leak im Mai unter fast 2.400 Eltern hatten über 90 Prozent bessere Bildung höher bewertet als Beitragsfreiheit.

Die Opposition: Für die Grünen schiebt der Senat dringend notwendige Qualitätsverbesserungen "weiter auf die lange Bank". Die FDP nennt die Senatspolitik "unfinanzierbar und populistisch" und fordert gute statt billige Kitas sowie einen Verzicht auf die Beitragsfreiheit. Für die CDU besteht "ein eklatanter Widerspruch zwischen den Anforderungen des Senats an die Kitas und den von ihm selbst geschaffenen Rahmenbedingungen".

Levin wird von seiner Oma begleitet. Sie müsse öfter einspringen, wenn die Kita den Kleinen nicht mehr betreuen könne: "Seine Mutter ist berufstätig", sagt sie. So auch heute: Sie demonstriert mit und erkundigt sich bei Levins Erzieherin, wie er sich in der Kita betrage.

Levins Erzieherin heißt Luise und arbeitet in der Caritas-Kita "Teresa Tauscher" in Charlottenburg. Sie trägt ein grünes Basecap und den kleinen blonden Rafael auf dem Arm. "Wir haben fünf Erzieherstellen. Für die vom Senat verlangte Verwaltungsarbeit brauchen wir fünf Stunden pro Stelle, also 25 Stunden", rechnet sie vor. Diese Stunden müssten die ErzieherInnen zusätzlich leisten - neben wickeln, spielen und aufpassen. Außerdem sei die Kita sowieso schon personell knapp besetzt. "Wir sind zwei Betreuer pro Gruppe, wenn jemand krank wird oder in Mutterschutz geht, wird es richtig eng", sagt Luise. Deswegen pustet auch sie in ihre grüne Trillerpfeife. Rafael hält sich die Ohren zu.

Als sie am Roten Rathaus eintreffen, spielt die Band Atze ein Kinderlied: "Ich klatsche in die Hände und streichel meinen Bauch." Die ErzieherInnen tanzen dazu mit den Kindern, die manchmal doch lieber den Luftballons hinterherjagen. Der jüngste Teilnehmer ist wenige Monate alt und sitzt im Kinderwagen. Es ist laut und bunt, jeder Kita-Träger ist mit seinen Farben vertreten: von AWO-Rot bis Humanistische-Union-Orange.

Manche Plakate sind von den Kindern gebastelt: "Fünf Stunden mehr", steht auf einem Poster mit aufgeklebten Händen aus Tonpapier, das die kleine Luise trägt. Das Plakat ist größer als sie. Die vielen gemalten Transparente versperren die Sicht auf die Bühne. Unter großem Applaus fordert hier Barbara John, die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, die Mitglieder des Abgeordnetenhauses auf, in den laufenden Haushaltsdiskussionen mehr Geld für die Kitas bereitzustellen: "Kitas sind dann gut, wenn sie qualitätsvoll sind. Nicht, wenn sie voll sind."

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