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Kirchhofs SteuermodellKlare Absage auch von der CSU

Das Steuermodell von Paul Kirchhof stößt auf wenig Begeisterung. Nachdem die Opposition schon abgewunken hat, folgt nun die CSU. Das Modell sei nicht gerecht, so die Kritik.

CSU-Generalsekretär winkt ab: Die Komplexität des Lebens spiegelt sich in Kirchhofs Steuerkonzept nicht wider. Bild: dapd

BERLIN dapd | Die CSU geht auf Distanz zum Steuermodell des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof. "Die Komplexität des Lebens spiegelt sich in diesem Steuerkonzept nicht wider", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Als Beispiel nannte er die Pendlerpauschale, die sich als Infrastrukturinstrument bewährt habe. Kirchhof will sie streichen. Unions-Fraktionsvize Michael Meister lobte zwar die Vorschläge Kirchhofs, wollte sie sich aber nicht zu eigen machen. Massive Kritik kam dagegen von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Zuvor hatten bereits SPD, Grüne und Linkspartei die Vorschläge abgelehnt.

Kirchhof will mit seinem Entwurf eines "Bundessteuergesetzbuches" das deutsche Steuerrecht radikal vereinfachen: Statt rund 30.000 nur noch 146 Paragrafen und statt 32 Bundessteuern noch 4 Steuern: auf das Einkommen, die Erbschaft, den Umsatz und den Verbrauch. Zugleich sollen alle 534 Ausnahmetatbestände und Steuerprivilegien wie die Pendlerpauschale wegfallen. Unabhängig von der Höhe des Einkommens ist ein Einheitssteuersatz von 25 Prozent vorgesehen.

Dobrindt sagte der Tageszeitung Die Welt: "Die Idee ist spannend, dass eine Steuererklärung am Ende auf ein kleines Stück Papier passt. Aber ob das dann gerecht ist, das wage ich zu bezweifeln." Einfachheit und Gerechtigkeit widersprächen sich oft.

Die Beinahe-Niederlage der Union bei der Bundestagswahl 2005 wertet Dobrindt als Abstimmung über das Konzept Kirchhofs. "Erkennbar hat es also nicht die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung erhalten." Einen Einfluss auf die laufende Steuerdebatte schloss Dobrindt somit aus. Ohnehin stehe eine radikale Änderung des Steuersystems nicht auf der Tagesordnung.

Steuergewerkschaft: Kirchhofs Pläne sind nicht zu bezahlen

Der CDU-Politiker Meister lobte dagegen das Konzept des Heidelberger Steuerrechtsprofessors. "Ich bin dankbar für alle Hinweise zur Steuervereinfachung, an der auch die Koalition arbeitet, sagte Meister dem Kölner Stadt-Anzeiger. Er fügte hinzu: "Das Konzept werden wir uns nun im Einzelnen anschauen."

Auch Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard sprach sich dafür aus, die Vorschläge Kirchhofs zur Steuervereinfachung ernst zu nehmen. "Man sollte sich das Konzept von Paul Kirchhof sehr genau ansehen. Es lohnt sich. Das eine oder andere Element kann durchaus auch in andere Vorschläge einfließen", sagte der CDU-Politiker dem Hamburger Abendblatt. Allerdings sei Deutschland "nicht reif" für einen einheitlichen Einkommenssteuersatz. "Man möchte, dass der, der mehr verdient, auch einen höheren Steuersatz hat."

Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft kritisierte dagegen das Konzept und die politische Debatte um niedrigere Steuern in scharfer Form. "Die Pläne Kirchhofs würden zu einer gigantischen Entlastung für höhere Einkommen führen. Sie sind absolut unbezahlbar und zutiefst ungerecht", sagte der Verbandsvorsitzende Thomas Eigenthaler der Neuen Osnabrücker Zeitung. Das Konzept vertrage sich nicht mit dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft.

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10 Kommentare

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  • R
    Richard

    1. Pendlerpauschale gilt auch für Radfahrer

     

    2. Das System von Kirchhof kann nicht gerecht sein auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt. Folgendes beispiel ohne Anspruch auf tatsächlichen Gegebenheiten:

     

    Der notwendige (damit meine ich essen, Wohnen usw) Konsum beträgt bsp. 10.000 EUR.

     

    Wenn jemand 20.000 EUR verdient dann hat er nach abzug der SV 20 % und 25 % steuer noch 11.000 EUR. also gerade mal 1.000 über den was er gezwungermaßen ausgegebn muss.

     

    Verdient jmd 100.000 EUR hat er nach nach Abzug SV (in diesem Fall mal gedecklt bei 50.000) = 10.000 EUR und 25 % = 65.000 EUR zur Verfügung.

     

    Nach abzug des notwendigen Konsums noch 55.000 EUR.

     

    Dies ist allerdings in einer sozialen Marktwirtschaft ungerecht und wird zurecht als ungerecht empfunden. Denn durch die Strukturen die der Staat geschaffen (kostenlose Schule, weitesgehend kostenlose Uni; Rechtsstaat, Infrastruktur) war es Ihm möglich mehr zu verdienen.

     

    Der Leistungsträger wäre einer wenn er mehr leistet als der Geringverdiene. Dies tut er aber nicht beim Modell von Herrn kirchhoff. Er ist zwar nominal mehr belastet relativ aber gleich und das ist ungerecht.

     

    Das ist die Ungerechtigkeit die kritisiert wird. Ich gebe allerdings zu, dass diese nur in der Sozialen Marktwirtschaft so ist, bei einem Nachtwächterstaat würde dies nicht so empfunden werden.

  • P
    piccolomini

    ein einfacheres steuermodell wäre durchaus zu begrüßen.

    aber eines, das nur die reichen begünstigt nicht.

  • G
    guest

    Wer 3x so viel verdient, zahlt beim Modell Kirchhoff 3x so viel Steuern...

    Gibt es denn etwas gerechteres?

    Dass die deutsche Neidgesellschaft niemandem das Gehalt gönnt, der mehr verdient als man selbst ist traurige Realität und hat auch leider dazu geführt, dass es als gerecht gilt Besserverdiener überproportional zu belasten.

    Dass so der Begriff der Gerechtigkeit ad absurdum geführt wird, scheint aber keinen der Herrschenden zu interessiern. es könnten ja stimmen verloren gehen!

  • T
    tbo

    IWas an der Pendlerpauschele gerecht sein soll, frage ich mich als Radfahrer und Nicht-Autobesitzer schon lange: das ist subventionierte Umweltzerstörung. Und warum Hotel- und Puffbesuche nur mit 7% Märchensteuer veranlagt werden, weißt eher auf die Klientelpolitik als auf Kompetenz hin.

    Jeder Dackel knurrt, wenn man ihm den Knochen wegnehmen möchte.

  • HK
    Hans-Jürgen Kapust

    Ja auch die CSU hat erkannt, dass mit diesem Steuermodell die Versteck- und Abschreibungsmöglichkeiten ihrer Klientel und auch die ihrer Funktionäre auf einmal wegfallen würden. Das ist in der Tat "Sozial ungerecht". Und auch die Finanzverwaltung muss dieses Modell fürchten, wie der Teufel das Weihwasser; 80% Arbeit weniger, wie damit den Personalstand halten?

    Bitte liebe taz-Schreiber und -Leser, einfach Kirchhof mal zuhören...

    http://www.dctp.tv/#/vorfahrtsregeln-der-macht/paul-kirchhof-das-mass-der-gerechtigkeit/

  • M
    Mauermer

    Mal ganz polemisch, wenn die etablierten Parteien dagegen sind, ist das Konzept von Hr. Kirchhof genau das, was wir brauchen!

    Das vorgeschlagene System ist verständlicher und sehr viel transparenter als das bisherige und würde sehr viel besser geeignet sein, die immer wieder beschworene "Gerechtigkeit" herzustellen!

  • S
    Sozi

    An der breiten Ablehnung erkennt man einmal mehr, dass im Bundestag ausschließlich sozialdemokratische und sozialistische Parteien vertreten sind.

  • MF
    Martin Fz

    Schade, daß diese Idee überwiegend als "nicht gerecht" verworfen wird - als ob das aktuelle Steuermodell gerecht wäre, das vor allem jenen nützt, die sich darin auskennen oder sich Experten für die Steuererklärung leisten können. Vielelicht gibt es ja in absehbarer Zeit mal eine Petition zur Vereinfachung des Steuerrechts.

  • D
    deviant

    Steuerrecht auf Stammtischniveau...seltsam, dass ausgerechnet die CSU nicht dabei ist.

  • F
    FreiDenker

    Meint denn wirklich jemand in Deutschland, daß die ausufernden Steuergesetze eingestampft werden.

     

    Wohin mit den ganzen Arbeitslosen wie Steuerberater; überflüssige Finanzbeamten; Rechtsanwälten des Steuerrechts; Verlagsmitarbeitern von Steuergesetzliteratur und den Herstellern von Steuersoftware usw.

     

    Und warum auch nur ein einfaches und gerechtes Steuersystem für jeden. Man lebt doch gut von den vielen Dummen und Nichtwissenden und im Zweifel kann man hübsch jedem Steuerpflichtigen noch ein paar EURO mehr rausquetschen am Ende des Fiskaljahres (wegen Unwissenheit).