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KirchentagReformieren, aber nicht nur abwählen

■ Ein Plädoyer dafür, Pfarrern künftig stärker auf die Finger zu schauen

Heiße Debatten stehen dem zweitägigen bremischen Kirchentag ab heute ins Haus. Neben Sparzwang und Zukunftsfragen an die Arbeit der Diakonie wird auch ein neues Pfarrergesetz diskutiert. Viele Pastoren protestieren – und sind doch, wie der Neustädter Pastor Hans-Günther Sanders, nicht völlig gegen Reformen.

taz: Das Gesetz sieht vor, daß die bislang auf Lebenszeit gewählten Pastoren künftig von ihren Gemeinden gekündigt werden können. Wovor haben Pastoren dabei Angst?

Hans-Günther Sanders: Es geht ans Existentielle, ans Eingemachte, möglicherweise verändert es Lebensentwürfe.

Das klingt aber auch nach Besitzstandswahrung.

Das ist es sicher auch. Wer das leugnet, der redet nicht auch von den finanziellen Grundlagen unseres Lebens. Aber es gibt eben auch andere Grundlagen; es geht ums prophetische Amt. Sicherlich haben auch die Gemeinden – und von daher verstehe ich auch deren Wunsch nach Mitbestimmung – ein prophetisches Amt. Das heißt, sie müssen ihren Mund aufmachen, ob es der Welt gefällt oder nicht.

Manche Pastoren fürchten, aus Angst vor Kündigung würde eine bestimmte Verkündigung hintan gestellt. Ist die Angst davor wegen streitbarer Positionen realistisch?

Ob die vom prophetischen Amt abhängt oder vom weltlichen Versagen der Pastoren, wird man nicht immer unterscheiden können. Aber ich glaube schon, daß das Pfarrergesetz dafür sorgen wird, Pastoren zu reglementieren. Es ist kein Zufall, daß sowas in Zeiten der Geldknappheit und Kirchenaustritte überlegt wird.

Ist es denn Ihre Erfahrung, daß evangelische Christen angepaßte Pastoren und Predigten mehr schätzen?

Nein, aber meine Gemeinde war schon immer streitbar.

Wenn es die Kündigung für Pastoren schon früher gegeben hätte, glauben Sie, daß es Sie getroffen hätte?

Nein. Aber es wäre der Gemeinde um den Pastor sehr schwer gemacht worden. Ich denke da an die Rekrutenvereidigung am 6. Mai 1980. Ich gehörte zu den zwei Pastoren, die den Aufruf zur Demonstration mit unterzeichnet hatten. Nach den Krawallen gab es im Haus der Kirche einen Verwaltungserlaß, daß all die Leute notiert werden sollten, die aufgrund der Krawalle und des Aufrufs durch Zion, also meiner Gemeinde, ausgetreten sind. Außerdem hatte ich zu einer Konfirmation auch noch das Lied von einem Kriegsdienstverweigerer singen lassen. Da schlugen die Wellen hoch und eine Kirchenvorsteherin sagte zu mir: Herr Pastor, daß das nicht in Ordnung war, wissen sie selbst, aber nun wissen sie, daß sie auch nur von der Vergebung leben. Das fand ich toll. Die hat praktisch gesagt, du hast Quatsch gemacht, mein Lieber, aber bleib bei deiner Linie. Trotzdem, man hätte ein Gericht über mich inszenieren können.

In anderen Ländern ist eine „Kündigung“ von Pastoren möglich und funktioniert.

Ja. Ich glaube auch, daß es die Chance zur Trennung geben muß. Aber es ist eine schwierige Frage, wie wir da weltlichen – und ich will auch sagen himmlischen – Ansprüchen gegenüber Recht setzen. Ich glaube aber auch, daß wir Pfarrer uns viel vorzuhalten haben und daß es tiefen Anlaß gibt für die Skepsis von Gemeinden gegenüber ihren Pastoren.

Was schlagen Sie also vor?

Meine Erfahrung ist, daß die Kirchenleitung für viele Konflikte zwischen Gemeinde und Pastoren nicht gerüstet ist. Da wäre mehr Transparenz nötig – und auch mehr Kontrolle von Pastoren. Es muß externe Visitationen geben, nicht von oben, sondern durch gemeindliche Gremien. Fragen: Eva Rhode

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