: Kirche spart querbeet
■ Im Mittelpunkt des Bremer Kirchentags: Im Haushalt 1997 fehlen 10 Millionen / Gemeinden müssen kündigen / Kommt der Teilzeit-Geistliche?
„Die Evangelische Kirche im Lande Bremen (BEK) steht vor der Quadratur des Kreises: Die Arbeitgeberin von 1.200 Beschäftigten und 160 PastorInnen muß deftig sparen. Hintergrund sind die wirtschaftliche Misere des Landes, die die Kirchensteuereinnahmen um drei Millionen Mark jährlich drückt, und wachsende Abgaben an Bremer Umlandgemeinden. Trotzdem will die BEK eine „verläßliche Arbeitgeberin“ bleiben, betont Schatzmeister Jürgen Albrecht.
Wie beides zusammen gehen soll, soll der Kirchentag der BEK ab Mittwoch entscheiden. Insider erwarten heftige Debatten unter den Delegierten der 69 Gemeinden und der kirchlichen Einrichtungen. Es geht um das Profil der Kirche, um Seelsorge versus Basisarbeit.
Unbestritten ist: Den Rotstift muß die BEK vor allem bei Personalkosten ansetzen. Sie betragen jährlich drei Viertel des 115 Millionen Mark-Haushalts. Die Hiobsbotschaft für 1997 macht in Kirchenkreisen bereits die Runde: Aus den Stellenplänen geht hervor, daß die Personalkosten im kommenden Jahr noch immer zehn Millionen Mark über dem Soll liegen. Das Problem: Selbst wenn diese 10 Millionen als Sparziel erbracht würden – über Kündigungen, Teilzeitverträge oder Nicht-Wiederbesetzen von Stellen – wäre der Kirchenetat in 1997 noch lange nicht ausgeglichen. „Wir greifen dann immer noch mit rund 21 Millionen Mark in die Rücklage“, sagt Schatzmeister Albrecht. Nur zwei Jahre noch dürfe das geschehen. „Dann haben wir in vier Jahren 67 Millionen, also die Hälfte aller Rücklagen verbraucht.“
Die Schonfrist für MitarbeiterInnen, eine Art „Sozialplan“, läuft bis Ende '98. Dann muß das kirchliche Fernziel, eine Sparquote von insgesamt 25 Prozent, erreicht sein. Jede vierte Stelle muß bis dahin weggefallen oder umstrukturiert sein.
Dabei sollen auch Pastoren nicht verschont werden. Ihnen schlägt der Kirchenausschuß eine Teilzeit-Verbeamtung vor. Diese Lösung ist besonders auf verheiratete PastorInnen, und auf solche mit ausgedehnten Hobbies außerhalb der Gemeinde gemünzt. „Nebentätigkeiten wären zustimmungspflichtig“, sagt BEK-Schriftführer Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Der Griechisch-Unterricht in einer Oberstufe etwa, oder andere Lehrtätigkeiten. Daß dieses Modell auch mit Hintergedanken eingeführt werden soll, ergibt sich: „Natürlich bleibt ein Pastor nach wie vor ganz ordiniert.“ Eine obere Stundenbegrenzung werde es für Teilzeit-Geistliche nicht geben.
Aus Sicht der kirchlichen Personalvertreterin Katharina Kissling wird die Debatte um die Teilzeit–Pfarrstelle nur ein Nebenschauplatz bleiben. „Der Knackpunkt ist die Autonomie der Gemeinden.“ Hier werde beinahe willkürlich gekürzt: „Jede erste Stelle die frei wird, wird nicht wiederbesetzt.“ Nötig sei ein Kooperationskonzept zwischen Gemeinden, das gemeinsame, übergreifende Stellenplanung ermögliche.
„Das Sparkonzept trifft schon jetzt vor allem die 80 Prozent weiblichen Angestellten bei der Kirchen“, warnt auch die Kirchen-Frauenbeauftragte Jutta Schmidt. Immer mehr Frauen würden vor dem Hintergrund des Spardrucks den Baby-Urlaub verkürzen. „Wer will schon an eine Stelle zurücckommen, die es quasi nicht mehr gibt, weil sie jahrelang unbesetzt war. Den größten Sparbatzen müssen schon jetzt übergemeindliche Einrichtungen erbringen. Arbeitslosenprojekte, kirchliche Beratungsstellen, der kirchliche Dienst in der Arbeitswelt oder Weiterbildungseinrichtungen ede
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