Kinofilm „When Animals Dream“: Werwölfin löst patriarchale Panik aus

Mit seinem Regiedebüt lässt Jonas Alexander Arnby eine junge Frau gegen ihre Widersacher aufbegehren – durch eine monströse Transformation.

Die Hauptdarstellerin: Marie, gespielt von Sonia Suhl. Bild: Prokino

Frauen in den Händen von Männern: Hier die junge Marie (Sonia Suhl), deren zerbrechlicher Körper gleich zu Beginn von „When Animals Dream“, dem Regiedebüt von Jonas Alexander Arnby, ganz den tastenden, fühlenden und drückenden Händen eines Arztes ausgeliefert ist. Dort deren Mutter (Sonja Richter), die mit leerem Blick im Rollstuhl vor sich hin vegetiert, eine Gefangene des Hauses, vielleicht auch ihres Mannes (Lars Mikkelsen), der ihr regelmäßig sedierende Medikamente verabreicht.

Der Ort: ein dänisches Fischerdörfchen am nördlichen Zipfel des Landes, wo das Wetter so rau ist wie der Umgangston. Zu rau für die sensible Marie, die von den groben Kerlen in der industriellen Fischereianlage erst hinterrücks in einen Bottich schmieriger Fischabfälle gestoßen – wohl ein Initiationsritus – und später dem Terror einer zunächst angedrohten, dann aber als „Scherz“ unter Arbeitskollegen entlarvten Vergewaltigung ausgesetzt wird.

Doch die eben noch sich hässlich lachend über Marie erhebenden Macker beäugen sie bald schon deutlich argwöhnischer: In ihr sprießt nämlich etwas – animalische Wut einerseits, Haarbüschel andererseits –, eine Art Krankheit offenbar. Und die verfilzten Männerbünde im Dorf vermuten bald, dass es sich dabei um dieselben Symptome handelt, die Maries Mutter früher hatte.

„When Animals Dream“ greift das allegorische Potenzial des Horrorkinos auf, um den patriarchalen Schrecken darüber, dass sich in einer Frau ein ungeheueres Begehren und Empfinden regen, sie sich männlichen Disziplinierungswünschen widersetzt und ihr an allen möglichen Stellen am Körper Haare wachsen, in eine Ästhetik des Monströsen zu fassen.

„When Animals Dream“. Regie: Jonas Alexander Arnby. Mit Sonia Suhl, Lars Mikkelsen u. a. Dänemark 2014, 84 Min.

Wobei die Empathie des Films, wie es spätestens seit James Whales tragischer „Frankenstein“-Verfilmung gute Genre-Sitte ist, klar bei der Ausgestoßenen liegt, die sich schließlich in einem erbitterten Showdown gegen ihre Häscher und Peiniger wendet. Ob es da noch zum Abschluss den Hinweis gebraucht hätte, dass erst die bedingungslose Annahme durch ein liebendes Gegenüber der Gewalt ein Ende bereitet, bleibt allerdings fraglich.

Für sein Gender-Werwolf-Drama nutzt Arnby, der sich bisher als Ausstatter von Lars von Triers Filmen verdient gemacht hat, die Mittel des einfühlsamen skandinavischen Arthouse-Horrorfilms, für den Tomas Alfredsons Vampirdrama „So finster die Nacht“ beispielhaft steht.

„When Animals Dream“ ist sacht ins herbstlich Poetische entrückt, nicht zuletzt demonstrativ und tatsächlich auch eine Spur zu langsam erzählt. Ein wenig schade ist das vor dem Hintergrund, dass damit aus Genre-Perspektive am Ende eine trotz des sensiblen Umgangs mit dem Stoff recht übliche Geschichte steht, deren filmische Umsetzung für sich einen ästhetisch höher stehenden Rang zwar behauptet, sich dabei aber vor allem einer Kunstfertigkeit lediglich markierenden, geronnenen Form bedient.

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