Kinofilm „Prometheus“: Die DNA schwarz anmalen
Ridley Scotts „Alien“-Prequel „Prometheus“ ist der beste Alien-Film, den es je gab. Trotzdem überzeugt er weder als Schauspieler- noch als Thesenfilm.
Ridley Scotts „Alien“-Prequel „Prometheus“ hebt an mit einem raunenden Prolog vor dramatischer Naturkulisse: Ein humanoides Wesen, alabasterfarben, fast transparent die Haut, tritt an einen gigantischen Wasserfall und nimmt leicht fremdgesteuert einen Gifttrunk ein. Über dem weiß leuchtenden Lendenschurzmann hat sich ein klassisch untertassiges Raumschiff unter die Wolken gemischt und überwacht den zeremoniellen Vorgang, der sich als Opferhandlung erweisen wird.
In rasanter Kinetik folgt die Kamera der pechschwarzen Flüssigkeit in das Körperinnere des Trinkers, den es nun buchstäblich und nicht eben schmerzfrei in seine Elementarbestandteile zerlegt. Eine stolze Doppelhelix schwebt als 3-D-Bild skulptural im Zuschauerraum, färbt sich schwarz, zerbirst, um sich dann in eine rasche Zellteilung zu übersetzen. Sie leben! Proliferation setzt Destruktion voraus.
In etwa so hatten wir uns das schräge Gedankengut der Intelligent-Design-Bewegung immer vorgestellt. Höheres Wesen befahl: DNA schwarz anmalen. Weniger gefallen dürfte dem neo-kreationistisch informierten Betrachter, dass sich die vermeintlichen Urheber menschlicher Existenz weder als gütig noch als sonderlich intelligent herausstellen. Nicht jede Zurückweisung Darwins läuft auf den Schöpfungsbegriff der evangelikalen Rechten hinaus.
Durch diesen Überbau-Prolog muss man als „Prometheus“-Zuschauer also erst mal durch. Anschließend lassen die fragwürdigen Durchsagen deutlich nach, sieht man vom Christuskreuz ab, das an einer Halskette der ansonsten gut orientierten Wissenschaftlerin Dr. Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) baumelt.
Expedition ins All
Shaw erkennt in urzeitlichen Höhlenzeichnungen den Spuk, aus dem Prolog für die Nachwelt figuriert, schlägt Alarm, benötigt jedoch Drittmittel, um ihre Forschungshypothese verifizieren zu können. Wie so oft bleibt nur die Privatwirtschaft. Deshalb findet die Expedition ins All im Auftrag eines freudlos nach Lebensverlängerung gierenden Konzernführers (hinter greisenhafter Gummimaske: Guy Pearce) statt. Die Wissenschaftler sollen klären, ob die opferbereiten Existenzstifter nicht auch Getränke im Kühlschrank haben, die ewiges Leben gewähren.
Die korporatistischen Interessen während der Reise vertritt eine wenig Spaß verstehende Eisblondine im knallengen Jump-Suit, die allerdings schnell rumzukriegen ist, falls ihr auch in sexueller Hinsicht roboterhafte Frigidität unterstellt wird. So viel zum, nun ja, „Genderdiskurs“ von „Prometheus“. Sigourney Weavers hart erarbeitete feministische Ermächtigung aus den späten 70er Jahren ist hier nicht mal mehr Deckerinnerung.
Verkörpert wird die aktuelle Raumschiffleitung von Charlize Theron, die als Befehle von oben weitergebende Kapitalmarionette eine gute Figur auf den Laufstegen der Mission macht. Auf Ripleys klaren Dezisionismus hätte sie vermutlich mit einem epischen Cat Fight reagiert.
Gestenvorbild: Lawrence von Arabien
Ebenfalls nichtmenschlich agiert Michael Fassbenders Figur David. Er ist der eigentliche Android der Expedition und ausgestattet mit der Fähigkeit, die Träume der Teilnehmer per „neuro vision“ holografisch zu materialisieren. Um die Mitreisenden nicht zu verschrecken, wurde ihm ein hart an der Grenze zum bloßen Running Gag gebauter Phänotyp verpasst, der unter dem beträchtlichen Programmierfehler leidet, Peter O’Tools Lawrence von Arabien nicht nur als Gestenvorbild, sondern auch als Idee vom Menschsein zu interpretieren. Fassbender verzieht keine Miene und spielt seinen Stiefel runter. Chargieren kann man bei Bedarf auch ohne Rumpf.
Als Schauspielerfilm ist „Prometheus“ so limitiert wie als inspirierte Bearbeitung der einstmals zeitgeistdynamischen „Alien“-Reihe, die von Paul W. S. Anderson, einem Vordenker des heutigen B-Actionkinos, auf der Grenze zwischen Konzeptkunst und nach außen gestülpter Blockbusterwarenform präzise abgestellt worden war. „Alien vs. Predator“ (2004) hieß das seinerseits mit einem unnützen Sequel (Requiem, 2007) bedachte Fusionswerk, das überzeugend den Eindruck vermittelte, die beiden Marken seien nun für einige Zeit in der kommerziellen Sackgasse einer Meta-Begegnung ohne genuines Branding-Potenzial parkiert.
Dass am Ende von „Prometheus“ dann doch noch Hansruedi Gigers Ur-Alien-Design sein zweizahnreihiges Haupt erheben darf, hat wohl nicht nur mit der finalen Sicherung des Prequel-Status’ zu tun, sondern ist auch Voraussetzung für die lizenzwirtschaftliche Verwertung des Films als vollwertiges Mitglied eines lange Zeit relativ brachliegenden Franchise.
Solide Genremechanik
Auch als spekulativer Thesenfilm dürfte „Prometheus“ niemanden wirklich aus der (anti-)metaphysischen Reserve locken. Wie auch, wenn das Erzählgerüst trotz titelgebender Fährte in Richtung antike Mythologie starke Anleihen bei Erich von Dänikens „Erinnerungen an die Zukunft“ hat. Drehbuchautor Damon Lindelof hat immerhin eine solide Genremechanik in den Film eingelassen, ein insgesamt etwas zu routiniert funktionierendes Gespür für Spannungsamplituden und vom produzierenden Auftraggeber fraglos erwartete Standards der Reihe.
Dass man dennoch diesen Sommer wohl keinen wesentlich interessanteren Franchisefilm sehen wird, hat denn auch nicht mit Dänikens lustiger Techniktransferidee (Außerirdische als Nachhilfelehrer antiker Zivilisationen) oder erzählerischen Volten zu tun, sondern mit einigen viszeral-ästhetisch herausragenden Set Pieces.
Der in den 80er Jahren ausgiebig theoretisierte „Body Horror“ der „Alien“-Reihe, das filmisch zelebrierte Unheimlichwerden eines (Brut-)Körpers unter forcierten Entfremdungsbedingungen, findet in „Prometheus“ eine denkwürdige Zuspitzung, wenn sich Noomi Rapace in einen vollautomatisierten Operationssarg einsperrt. In der Wissenschaftlerin wächst nämlich ein fremdartiger Aggrowurm heran, der schleunigst entfernt werden muss.
Mit Rapace wird man als Zuschauer in einen maximal klaustrophobischen Terrorraum eingeschlossen, gegen den sich jeder filmgeschichtlich überlieferte Panic Room wie eine Großraumwohnung ausnimmt. In fiesen 3-D-Ausgreifbewegungen schwenkt chirurgisches Hightech-Besteck auf einen zu, um schließlich einen menschlichen Fehlleistungen enthobenen Bauchdeckenpräzisionsschnitt zu setzen. Nicht nur Shaw braucht einige Minuten, um sich von diesem Gemetzel zu erholen. Sieht so etwa die Zukunft der Chefarztbehandlung aus?
Eine prospektive Wunschmaschinenwelt
Nicht nur im blutgetränkten OP-Automat, sondern auch in vielen anderen Schlüsselmomenten der Expedition sind die Crew-Mitglieder zur Selbstaufklärung auf bildtechnologische Prothesen verwiesen, die mehr und anderes sehen als das menschliche Auge. Fast enzyklopädisch dekliniert Scott auf dieser Ebene die zeitgenössischen Techno-Fantasien allgegenwärtiger Visualisier- und Speicherbarkeit durch.
Wie eine autonome digitalästhetische Textur ziehen sich die vielen Hologramme, Raumvermessungssonden, Traumvisualisierungs-Displays durch „Prometheus“. Eine multimediale Science-Fiction-Landschaft für die Generation der „augmented reality“ entsteht dabei, eine prospektive Wunschmaschinenwelt der Unterhaltungsindustrie.
Als 3-D-Kino auf der technikideologischen Höhe der Zeit wird „Prometheus“ somit doch noch selbstreferenziell und erhaben: Raumbilder, die auf Raumbilder blicken, um dem allgemeinsten Seinsgrund auf die Spur zu kommen. Jenem grenzenlosen Universum, in dem immer „etwas“, nie „nichts“ ist. Jenem Weltraum, in dem dich immer noch niemand schreien hört.
„Prometheus“. Regie: Ridley Scott. Mit Noomi Rapace, Michael Fassbender, Charlize Theron u. a. USA 2012, 124 Min.
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