Kinoempfehlungen für Berlin: Moderne, Bewegung und viel Poesie
Eine neue Stummfilmreihe startet mit Walter Ruttmanns „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“. Beim ZEBRA Poetry Film Festival gibt es viel kurzes.
E in Trend lässt sich im Kino der letzten Jahre eindeutig erkennen: Die Filme werden immer länger. Mit 90 Minuten scheint kaum jemand mehr auskommen zu wollen, viele Filmemacher:innen haben da offenbar das Selbstbewusstsein, dass ihr erzählerischer Atem auch problemlos für zwei oder noch mehr Stunden reicht. Oft genug ist das eine Fehleinschätzung.
Insofern ist man als Filmjournalist durchaus erfreut, wenn man es gelegentlich mit filmischen Formen zu tun bekommt, bei denen sich die Künstler:innen erfreulich kurz fassen. Wie beim ZEBRA Poetry Film Festival, wo viele der Wettbewerbsbeiträge kaum länger als zwei oder drei Minuten sind.
Neben einem zeitgemäßen Ukraine-Schwerpunkt (zwei Filmprogramme, eine Meisterklasse mit der ukrainischen Komponistin Maryana Klochko und ein Kolloquium zum Thema Poesie als Bewältigungsstrategie von Krieg und Flucht) zeigt das Festival 28 internationale Kurzfilme, die in zwei Wettbewerbsprogrammen um den Preis für den besten Poesiefilm konkurrieren.
Wie zu erwarten, sind die Filme dieser Programme ausgesprochen divers, nähern sich der Idee, Sprache in Film umzusetzen, auf höchst unterschiedliche Weise: „Sentences“ von Cia Rinne geht das sehr minimalistisch an, der niederländische Film „Imaginings“ lässt Gehörlose in Gebärdensprache vortragen, der Animationsfilm „The Rhyming Guide to Joining the Army“ von Neda Ahmadi hingegen richtet sich mit einem Text des Spoken-Word-Künstlers Potent Whisper gegen eine Rekrutierungskampagne der britischen Armee bei unter 18-jährigen Jugendlichen.
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In „Hair Brush“ von Kate Sweeney wird Alltägliches zu Kunst: Die Animation in Aquarellfarben handelt von dem Schneiden einer Haarlocke ihres adoptierten Babys, die wiederum als Pinsel für die Produktion des Filmes verwendet wurde.
Einen ausgesprochenen Berlin-Film gibt es auch: „Sparrows and Strolls“ setzt das poetische Berlin-Tagebuch von Marko Pogačar in Szene – mit Spaziergängen durch Kreuzberg, Beobachtungen von Spatzen und Gedanken über Friedhöfe (3.-6. 11., Kino in der Kulturbrauerei).
Das Ballhaus Wedding mit seinem 20er-Jahre-Ambiente ist sicher kein schlechter Ort für eine neue Stummfilmreihe, die der Verein Laufende Bilder e.V. in Zusammenarbeit mit dem Metropolis Orchester Berlin dort veranstalten möchte.
Zum ersten Termin präsentiert man dort Walter Ruttmanns Klassiker „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ aus dem Jahr 1927, musikalisch begleitet vom renommierten Pianisten Ekkehard Wölk am Flügel. Der berühmte Montagefilm präsentiert die Hauptstadt vom frühen Morgen bis in die Nacht als einen Ort der Moderne, des Tempos und der Bewegung.
In dynamischen Bildkompositionen setzen sich die Schwungräder der Fabrikmaschinen in Bewegung, Kolben sausen auf und nieder, draußen brandet der Verkehr, und die Menschen vergnügen sich mit Tanz und Sport – oder dem schwungvollen Schütteln von Cocktails (3. 11., 19.30 Uhr, Ballhaus Wedding).
In der Filmreihe „Einmal die Papiere bitte!“ zeigt das Zeughauskino den 1977 entstandenen Film „Fluchtweg nach Marseille“ von Ingemo Engström und Gerhard Theuring, der Anna Seghers Roman „Transit“ (über die Flucht europäischer Intellektueller vor den Nazis) zum Ausgangspunkt für eine hybride Erzählung zwischen Fiktion und Dokument nimmt.
Bei der Veranstaltung wird zudem das Buch „Mit anderen Augen, Exil und Film“ der Filmwissenschaftlerin Heike Klapdor in Anwesenheit der Autorin vorgestellt (6. 11., 16 Uhr, Zeughauskino).
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