Kino-Film "Ice Age 3": Elterngefühle auf Eis
Abenteuer in der Therapiegesellschaft - der Film "Ice Age 3" handelt von Familiengründungen.
Den Schwerpunkt zu Kinder- und Jugendliteratur lesen Sie in der sonntaz vom 4./5. Juli. Am Kiosk.
Es klingt irgendwie nach Ursula von der Leyen, wenn man die Handlung dieses Films in dürren Worten nacherzählt. Ein Paar erwartet ein Kind. Die Mutter ist wohlauf. Der Vater ist im Kinderzimmer-Ausstattungswahn und überfürsorglich. Die Freunde fühlen sich vernachlässigt und drehen emotional am Rad. Zum Ende hin haben dann aber alle zusammen die anstehenden Abenteuer bestanden und dabei gelernt, dass bei einschneidenden Lebensereignissen ganz viel geredet und auch mal ein bisschen therapiert werden muss. Das wirkt wie aus einer Hochglanzbroschüre des Familienministeriums geklaut, Stichwort: emotionale Herausforderungen für Sie und Ihre Umgebung, wenn sich Nachwuchs einstellt.
Aber die Umsetzung ist super! Eine wunderbar freigelassene Fantasie bei Formen und Farben. Feinste Nuancen in der Mimik der Figuren. Differenzierteste Schattierungen. Bewegungsabläufe, die gleichzeitig herzergreifend überdreht und natürlich aussehen. Man hat ja seit einiger Zeit schon im Animationsfilmbereich jedes Jahr wieder das Gefühl, dass es nun nicht mehr besser werden kann. Aber offenbar können die Animationsfreaks und Computernerds, die da rund um Los Angeles an den Rechnern sitzen und Pixel dazu bringen, wie feines Haar auszusehen, doch immer noch eine Schippe drauflegen.
Jedenfalls: Wenn in "Ice Age 3" die bunte Truppe um Manni, das Mammut, Diego, den Säbelzahntiger, und Sid, das Faultier, nach dem ersten Filmdrittel in die Parallelwelt der Dinosaurier abtaucht und dabei Abenteuer à la Indiana Jones erlebt, dann muss man sich mehr als einmal die Augen reiben: Man hat beim Zugucken schlicht vergessen, in einem Animationsfilm zu sitzen. So rasant kommen die Verfolgungsjagden daher.
Das Geheimnis liegt aber auch in der Ernsthaftigkeit, mit der hier die Figuren entwickelt und in ihren emotionalen Bögen begleitet werden. Die entscheidende Weichenstellung im "Ice Age"-Universum bestand darin, im zweiten Teil Manni mit Ellie, seinem weiblichen Mammut-Gegenstück, zusammentreffen zu lassen. Aus dem, was daraus folgt (kühl formuliert: Gefühlsproduktion, Ausarbeitung von intimen Liebescodes, Paarwerdung), wird nun entschlossen die Handlung weiterentwickelt. War "Ice Age 1" noch ein zauberhafter Buddyfilm - drei Junggesellen retten ein Baby und bilden die krasseste Herde, die man je gesehen hat -, geht es jetzt um Familiengründung.
Was in unseren post-rollenzentrierten Zeiten auch bedeutet, dass Manni lernen muss, sich mit seinem Kumpel Diego - der seine narzisstischen Kränkungen nicht recht zu bearbeiten versteht - über Gefühle auszutauschen. Und natürlich macht Sid, was er eh am besten kann: Slapstick und auch sonst viel Quatsch. Er brütet drei Dinosauriereier aus, versteht die Babys als seine Ersatzfamilie - muss dann aber doch begreifen, dass noch so süße Tyrannosaurus-Rex-Junge mit Broccoli nicht satt zu kriegen sind. Niedlich mögen sie sein. Fleischfresser bleiben sie dennoch.
Man kann den ersten Teil immer noch charmanter finden, muss aber anerkennen, dass dieser dritte Teil aufgeklärte Familienunterhaltung auf allerhöchstem Mainstream-Niveau ist. Den in Episoden zerfallenden zweiten Teil schlägt er um Längen. Nur Ellie, die erst werdende, dann gewordene Mutter, muss einen Tick zu tapfer den Laden zusammenhalten. Während bei Väter- und Männerrollen die Komik oft von selbst kommt, wenn man sie nur, wie hier, ironisch genug angeht, hat man damit bei Mutterrollen offenbar immer noch Schwierigkeiten.
Scrat, die Säbelzahneichratte mit der tragikomischen Nuss-Fixierung, kommt selbstverständlich auch wieder vor. Er trifft auf eine Fastartgenossin (nur mit Flughäuten, was in einer hübschen Szene, als beide einen Abhang hinunterstürzen, den entscheidenden Unterschied macht) und zelebriert im Kontrast zur Haupthandlung den Geschlechterkampf. Es zeugt schon von abgrundtiefem Witz, im B-Strang ausgerechnet Scrat, dieses gebeutelte, verhuschte Wesen, das heiße Liebesdrama von Verführung und Verrat durchspielen zu lassen. Toll! Klar geht dabei auch wieder alles schief. Umso fröhlicher stimmt in der Haupthandlung das Happy-End.
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