Kindler und Hunko keine Schriftführer mehr: Krawatten-Diktatur im Bundestag
Weil sie keine Krawatte tragen wollten, wurden Andrej Hunko (Linke) und Sven-Christian Kindler (Grüne) von der Liste der Bundestags-Schriftführer gestrichen.
BERLIN taz | Lange ist es her, dass Abgeordnete im Bundestag mit offenem Hemdkragen und Jeans schockieren konnten. Aber jetzt werden "Nicht-Binder" wieder zu Revoluzzern: Für den Schriftführerposten ist "smart casual" zu legère. Jens Koeppen (CDU), der Obmann der Schriftführer, hat am Mittwoch zwei seiner Kollegen vom Dienst ausgeschlossen, weil sie sich der Krawattenpflicht nicht beugen wollen.
Hintergrund ist ein Artikel im Tagesspiegel. Darin bekräftigten die Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler (Grüne) und Andrej Hunko (Linke), am Donnerstag keine Krawatte tragen zu wollen. Aufgrund dieser Ankündigung im Tagesspiegel wurden beide am Mittwoch von der Liste der Schriftführer gestrichen. Hunkos Fraktionskollegin Agnes Alpers, die für die "Linke" als Schriftführer-Ersatz eingesprungen war, trug am Donnerstag im Bundestag aus Solidarität mit Hunko eine rote Krawatte.
Bereits im Dezember hatte Hunko in einem Brief an Jens Koeppen den Begriff "Würde des Hauses" als zu "diffus" kritisiert und darauf hingewiesen, dass der Bundestag "die Vielfalt des Landes" repräsentieren solle. Sven-Christian Kindler hatte gespottet, "die Blümchenkrawatten" einiger Bundestagsabgeordneter würden die Würde des Hauses womöglich mehr beschädigen würde als sein Outfit.
Nun also hat Jens Koeppen ernst gemacht und die Abgeordneten wirklich aus Kleidungs-Gründen ausgeschlossen. Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, brachte in einem Brief an Bundestagspräsident Nobert Lammert, der der taz vorliegt, sein "Unverständnis über diesen Beschluss" zum Ausdruck.
Weiter bittet Beck Lammert, dafür Sorge zu tragen, dass sein Fraktionskollege Kindler wieder als Schriftführer eingesetzt werde. Eine "angemessene Bekleidung" bedeute keinesfalls automatisch eine Krawattenpflicht – "weder für Männer, noch für Frauen", eine solche Verpflichtung wäre "nicht erforderlich und zudem unangemessen".
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