Kindle und Co: Buchhandel fürchtet E-Books
Bald kommen endlich auch in Deutschland E-Book-Lesegeräte auf den Markt. Ein Sprecher des Börsenvereins warnt nun, dass die Branche von der Technik überrollt werden könnte.
Wann setzen sich elektronische Bücher durch? Schon seit gut einem Jahrzehnt experimentieren zahlreiche Hersteller mit der Technologie. Im großen Stil beim Endkunden angekommen sind solche tragbaren Bibliotheken, die Hunderte Titel enthalten können, allerdings noch immer nicht. Das könnte sich bald ändern: Der Elektronikkonzern Sony und der E-Commerce-Riese Amazon wollen ab 2009 gut nutzbare E-Book-Lesegeräte, so genannte Reader, auch nach Deutschland bringen. Stephan Jaenicke, Vorstandsmitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, hat nun davor gewarnt, dass der traditionelle Buchvertrieb von der Technologie überrollt werden könnte. Er glaube zwar, dass E-Books anfangs vor allem von einem "exklusiven Nutzerkreis" verwendet würden. Mittelfristig jedoch könnten sie jedoch sicher signifikante Marktanteile erobern, sagte er dem Fachblatt "Der Handel". In ferner Zukunft würde damit das gedruckte Buch zu einem exklusiven Gut für Marktnischen, während das Massengeschäft digital abgewickelt wird - die Verlage sparen sich damit Druck- und Vertriebskosten, die heute große Summen ausmachen. Der Buchhandel dürfe deshalb das Geschäft mit den E-Books nicht komplett großen Mitspielern wie Amazon oder später vielleicht auch Google überlassen, wo derzeit massenhaft Altbestände digitalisiert werden. "Dieses Schreckensszenario geht auch an den großen Filialisten nicht vorbei. Im Gegenteil: Wenn das gedruckte Buch in ferner Zukunft einmal eine Art Nischenprodukt sein sollte, haben kleine unabhängige Buchhandlungen bessere Chancen, es als 'Kultprodukt' zu vermarkten als die großen Ketten." Jaenicke warnte, dass sich die Buchhandelsbranche derzeit so gut wie nicht mit dem Thema elektronische Bücher beschäftige, man blende die Thematik aus. "Einerseits sind sich viele Kollegen gar nicht klar darüber, welche Umwälzungen sich dadurch für die Branche ergeben. Andererseits befassen sich viele nicht mit dem Thema, weil sie fürchten, dass jede Aktivität in Bezug auf E-Books die kommenden Entwicklungen nur beschleunigen wird. Die Entwicklungen werden aber auf jeden Fall kommen." Andere Händler geben sich jedoch gelassener. Die Kette Hugendubel, die zu den größten deutschen Filialisten gehört, will den Markt zunächst weiter beobachten, sich ansehen, welche Hardware sich letztlich durchsetzt. "Wir sehen aber nicht die Gefahr, überrollt zu werden", sagte ein Sprecher gegenüber taz.de. Insgesamt sei der Markt noch nicht sonderlich weit fortentwickelt, was eine abwartende Haltung rechtfertige. Beim Konkurrenten Thalia sieht man das hingegen ganz anders. Dort wird man als "bevorzugter Partner" ab Frühjahr 2009 Sonys Reader-Flagschiff PRS-505 verkaufen, inklusive großer Präsenz in den Filialen und Online-Auftritt zum Buchkauf. Man glaube zwar nicht daran, dass das Buch durch die Technologie auch langfristig verschwinde, sagte Markus Schuberth, verantwortlich für Marketing und Kommunikation gegenüber taz.de. Auf längere Sicht ergebe sich aber ein "sehr hohes Potenzial". Die Technik sei nun endlich ausgereift und so interessant, dass sich nicht nur "Early Adopter" dafür interessierten. Auch Reisende und Vielleser, die viele Titel bei sich tragen wollten, seien die ideale Zielgruppe. "Es bleibt jedem überlassen, dort nicht mitzumachen. Wir sehen aber durchaus sehr gute Chancen für diesen Markt." Auf Verlagsseite herrscht unterdessen eine Lagerbildung. Während Amazon versucht, Interessenten für seine eigene Plattform "Kindle" zu finden, die ebenfalls im Frühjahr in Deutschland starten soll, sammelt der Online-Händler Libri Unterstützer für Sony und dessen Technik "epub". Kleine Independent-Verlage kämen dabei zu kurz, meint Bernhard von Guretzky. Der Buchexperte plant deshalb mit dem Münchner Verlagshaus Blumenbar und bis zu 14 weiteren kleineren Anbietern eine eigene Plattform, die in Konkurrenz zu Libri und Amazon aufgestellt werden soll. Eine Betaversion sei bereits zur Leipziger Buchmesse vorstellbar, sagte er taz.de. Im Gegensatz zu den Großverlagen will man die Bücher ohne Kopierschutz vertreiben. "Der Trend geht dahin, die Kunden nicht mehr zu gängeln."
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