: Kinderzimmer-Produktionen
Wildes Fantasy-Universum und spackiger Elektro-Trash: Der VIVA-II-Moderator Ill-Young Kim tritt im Maria auf
Einer der Hauptunterschiede zwischen den Musikvideokanälen VIVA I und VIVA II liegt in den unterschiedlichen Dresscodes der Moderatoren. Bei I wird man in Prada und Gucci gesteckt und vor der Sendung nochmals frisch frisiert. Man muss immer aussehen wie für ein Bravo-Fotoshooting bestellt.
Bei VIVA II läuft das ganz anders. Dort wird nicht nur nach dem „Big Brother“-Dogma – ganz normal sein – moderiert, sondern man soll auch dementsprechend aussehen. Also T-Shirt, Jeans und vielleicht auch mal fettige Haare. Ill-Young Kim ist VIVA-II-Videoclip-Pausenfüller und hat keine Probleme mit dem VIVA-II-Regelwerk. So entspannt, wie er immer moderiert, so locker sieht er auch stets aus.
Wer Teil der VIVA-Welt ist, hat zwar viel mit Musik zu tun, jedoch nicht zwangsweise mit der, die einen selbst wirklich interessiert. Bei Ill-Young Kim wäre allerdings eine Übereinstimmung auch wirklich extrem schwer herbeizuführen. Denn er hat als Produzent eine Leidenschaft für abartigen Spacken-Elektronik-Trash entwickelt. Seine vor etwa einem halben Jahr erschienene erste Platte heißt nicht zu Unrecht „Spielzeug“. In all dem überbordenden Getacker und schrägen Beat-Gebolze lässt sich stets der infantile Umgang mit irgendwelchen billigen Maschinchen heraushören. Und diese werden tatsächlich zu Spielzeugen: Mal hören, wie es klingt, wenn man auf diese Taste drückt. Ah, sehr schön, sofort sampeln und zwischen das Alfred-Edel-Sample und die aus dem Ruder geratene Bassdrum stopfen. Und so geht das ein ganzes Album lang.
Wie bei Daft Punks „Homework“ oder Mike Inks „Life’s a gas“ bekommt man auch bei Ill-Young Kim an Hand von Cover und Booklet der Platte einen wunderbaren Einblick in einen bestimmten Popkultur-Kosmos.
Vorne drauf posiert ein Junge, wahrscheinlich der kleine Ill-Young selbst, vor Superman. Innen sieht man das Zimmer des Produzenten, in dem Spiderman in Lebensgröße an der Wand hängt, und auf der Thanx-Liste stehen unter anderem George Lucas, The Beatles, W. A. Mozart und Star Trek. Ein wild zusammengewürfeltes Fantasy-Universum eben, das als kongeniale Analogie zur Musik begriffen werden will.
Aus Köln kommt immer mal wieder komische elektronische Musik. Doch Ill-Young Kim hat es geschafft, sich selbst im erlauchten Kreis der mirakulösesten Produzenten dieser Stadt nochmals selbst an die Wand zu spielen. Dafür kann man ihm schlicht und einfach nur dankbar sein. ANDREAS HARTMANN
Heute ab 23 Uhr, Maria am Ostbahnhof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen