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Kinderschutz II"Familienhelfer haben einen anderen Blick"

Die Hebamme Brunhild Rataj erzählt, warum manche frischgebackenen Eltern mehr brauchen als die "reine Versorgung von Mutter und Kind". So seien in "Problemfamilien" banale Dinge wie Lob oder Zärtlichkeit oft unbekannt.

taz: Frau Rataj, wie viele Kinder haben Sie schon auf die Welt gebracht?

Brunhild Rataj: Das weiß ich gar nicht genau. Seit 1993 bin ich freiberuflich für die Vor- und Nachsorge zuständig. Bisher habe ich an die 1.300 Babys betreut.

Und was ist aus diesen Kindern geworden?

Manchmal bleibt ein guter Kontakt zu den Eltern bestehen - vor allem, wenn sie ein zweites Kind bekommen. Dann werde ich auch mal zu Kindergeburtstagen eingeladen. Häufig aber kann ich die Entwicklung der Kinder nicht weiter beobachten.

Wüssten Sie als Familienhebamme mehr über diese Kinder?

Wahrscheinlich. Denn meist kommt nach acht Wochen der Schnitt. Ich würde mir aber wünschen, dass ich das Elternwerden länger begleiten könnte. Das ist vor allem in Multiproblemfamilien wichtig.

Multiproblemfamilien? Was heißt denn das?

Das kann viel sein. Teenagerschwangerschaften, Menschen mit Drogen- und Alkoholproblemen, auch Arbeitslosigkeit oder Gewalt in der eigenen Kindheit spielen eine Rolle.

Und warum sind Familienhebammen für diese Familien wichtig?

Viele dieser Eltern brauchen eine Anleitung. Da hilft die Betreuung über ein Jahr. Einer Mutter habe ich zum Beispiel ihr Baby auf den Arm gelegt. Dort fing es an zu gurren, und sie meinte überrascht: "Hey, es redet ja mit mir!" Für viele Menschen mag das eine banale Sache sein - aber für diese Mutter war es etwas Besonderes.

Wie könnten Sie den Familien denn noch konkret helfen, wenn Sie Zeit für eine längere Betreuung hätten?

Ich kann ihnen Dinge zeigen, die sie selbst nicht erlebt haben: Lob zum Beispiel. Oft ist es schon ein Erfolg, wenn nicht ständig der Fernseher läuft. Über die Zeit entwickelt sich dann Vertrauen. Viele der Familien haben anfangs Angst, Hilfe anzunehmen, die kann ich versuchen ihnen zu nehmen.

Das können doch aber auch Familienhelfer tun.

Richtig, aber die haben einen ganz anderen Blick. Sie kümmern sich mehr um Behördengänge und den Haushalt. Hebammen können sofort erkennen, ob es den Neugeborenen gut geht. Wichtig ist aber vor allem ein funktionierendes Netzwerk aus Jugendgesundheitsdienst, Kinderärzten, Hebammen und Jugendamt.

Sie haben letztes Jahr eine Fortbildung zur Familienhebamme gemacht, obwohl Sie in Berlin noch gar nicht als Familienhebamme arbeiten können. Warum?

Ich war immer öfter in Familien tätig, die große Probleme hatten. Da ist mehr nötig als die reine Versorgung von Mutter und Kind, die psychosoziale Betreuung ist entscheidend.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass jedes Jugendamt in Berlin einen Topf für Familienhebammen bereitstellt.

INTERVIEW: ANJA HÜBNER

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