Kinderporno-Anklage gegen Politiker Tauss: Empörung über "soziale Exekution"
Die Staatsanwaltschaft hat angekündigt, den Piratenpartei-Abgeordneten Tauss wegen Kinderpornografie-Besitzes anklagen zu wollen. Dessen Verteidiger erhebt neue Vorwürfe gegen den Oberstaatsanwalt.
BERLIN/KARLSRUHE dpa/ap | Nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hat der Anwalt des unter Kinderporno-Verdacht stehenden Politikers Jörg Tauss schwere Vorwürfe gegen die Anklagebehörde erhoben. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft habe seinem Mandanten zum Abschluss der polizeilichen Ermittlungen nicht die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, außerdem habe er als Verteidiger keine entlastenden Beweisanträge stellen können, sagte Rechtsanwalt Jan Mönikes am Dienstag.
Über den zuständigen Oberstaatsanwalt Rüdiger Rehring sagte der Jurist: "Jörg Tauss war in Rehrings Augen offensichtlich schon von der ersten Stunde der Ermittlungen an schuldig." Er warf ihm "soziale Exekution" vor.
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte in der Bild-Zeitung angekündigt, Anklage gegen Tauss zu erheben. Dabei geht es um den illegalen Besitz von Kinderpornografie. Zuvor werde der Immunitätsausschuss des Bundestages Einsicht in die Akten bekommen, da der Bundestag für eine Anklage die Immunität des früheren SPD-Abgeordneten aufheben müsse.
Der Abschlussbericht der Ermittlungen liege nun beim Anwalt von Tauss zur Stellungnahme, schreibt die Zeitung. Demnach lasse die Staatsanwaltschaft Tauss' Begründung, er habe als zuständiger Abgeordneter in der Kinderpornoszene recherchiert, nicht gelten. In dem Bericht heiße es, Tauss habe "keinen dienstlichen Auftrag" gehabt und könne sich deshalb nicht darauf berufen.
Tauss hatte als Begründung für den Besitz von kinderpornografischem Material unter anderem angeführt, er habe einen Kinderporno-Ring sprengen wollen. Er sei davon ausgegangen, dass er als Bundestagsabgeordneter unter die gesetzliche Ausnahmeregelung falle, wonach Recherchen zu dienstlichen Zwecken nicht strafbar seien.
Tauss war Ende Juni aus der SPD ausgetreten und zur Piratenpartei gewechselt. Wegen der Kinderporno-Ermittlungen war er zuvor von seinen Ämtern als medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Generalsekretär der baden-württembergischen SPD zurückgetreten. Auch auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag hatte er verzichtet.
Ermittler fanden Handybilder und drei DVD
Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft bei dem früheren SPD-Abgeordneten Handybilder und drei DVD mit kinderpornografischen Inhalten gefunden, schreibt die Zeitung. Für die Durchsuchung von Wohn- und Büroräumen hatte der Bundestag Anfang März schon einmal die Immunität von Tauss aufgehoben.
Die Immunität schützt die Mitglieder des Parlaments normalerweise vor Strafverfolgung; Ermittlungen oder Verhaftungen sind nur möglich, wenn das Plenum des Parlaments zustimmt. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn ein Abgeordneter auf frischer Tat ertappt oder am Tag nach der Tat festgenommen wird.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Besitzes, Erwerbs und Verbreitung von Kinderpornografie gegen Tauss. Die Hinweise auf den Politiker sollen aus Bremerhaven gekommen sein, wo gegen einen Verdächtigen wegen Kinderpornografie ermittelt wird, der Tauss' Telefonverbindungsdaten und SMS gehabt haben soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe