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Kindergärtner und Dealer„Mein Leben ist ziemlich spießig“

Am Samstag geht es bei der Hanfparade um die Legalisierung von Cannabis. Kaufen kann man es sowieso schon – ein Interview mit einem Verkäufer.

Der Kampf geht breiter: Teilnehmer auf der Hanfparade 2012 Bild: dapd

taz: Guten Morgen, heute schon einen geraucht?

Ein Grasverkäufer: Nee, ich muss gleich zur Arbeit. Ich arbeite in einem Kindergarten, da kommt das nicht infrage – man muss schon trennen können zwischen Beruf und Job. Und nur weil ich anderen den Wunsch erfülle, sich schon morgens zuzudröhnen, bedeutet das noch lange nicht, dass ich das auch mache … na ja, nicht mehr, man wird ja auch nicht jünger.

Es ist noch ziemlich früh am Morgen, aber in deiner Wohnung sitzen schon drei Kunden. Sind Dealer nicht ewig schlafende Langzeitstudenten?

Na klar, die gibt’s auch, aber ich habe strikte Öffnungszeiten. Von 8 bis 9 Uhr und zwischen 19 und 22 Uhr. Meine Kunden wissen das. Bei mir kaufen alle möglichen Leute: Von der Sekretärin über den Comicladenbesitzer bis hin zum Steuerberater. Du warst ja schließlich auch mal bei mir.

Ich kam damals durch einen gemeinsamen Freund zu dir. Braucht man die Empfehlung eines Stammkäufers?

Meistens. Es gibt aber auch andere Einstiege: Einmal hatte ich den Rucksack voll mit mehreren Kilos und saß im Taxi auf dem Weg nach Hause. Das roch natürlich. Als wir ankamen, fragte der Fahrer, ob ich ihn mit Gras bezahlen könne. Inzwischen haben wir ein florierendes Transportunternehmen: Er fährt mich durch die Stadt, wenn ich Nachschub hole – dafür versorge ich ihn mit dem, was er so braucht.

Hast du neben Gras auch andere Substanzen im Angebot?

Normalerweise nur Gras. Koks oder Speed würden mir nicht ins Haus kommen – sowohl aus moralischen Gründen als auch aus Selbstschutz. Wer will schon mitten in der Nacht von Speedjunkies rausgeklingelt werden! Dafür ist mein Leben jenseits dieses Jobs zu spießig, und meine Freundin würde mir wahrscheinlich den Hals umdrehen.

Könntest du dich alleine vom Verkaufen finanzieren?

Die meisten beginnen ja damit, um den eigenen Konsum zu finanzieren. So war das bei mir auch. Irgendwann fragt sich, ob du nur noch mit Kilos hantieren willst, oder ob es dir eher um die soziale Komponente geht: Menschen treffen, plaudern, zusammen rauchen und am Ende des Tages ein bisschen mehr Geld in der Tasche haben. Ich habe mich für Letzteres entschieden.

Woher kommt deine Ware?

Aus Berlin. Alle zwei bis drei Wochen fahre ich mit meinem Taxi zu einer Indoorplantage. Die ist ziemlich sicher. Solche Profiwohnungen werden meist nur entdeckt, wenn die Mieter zu blöd sind, den immensen Stromverbrauch zu erklären, oder wegen eines Wasserrohrbruchs. Wäre aber auch nicht mein Problem, wenn der Laden hochgeht.

Gibt es andere Gefahren?

Überfälle. Als Dealer kann man ja nicht zu den Bullen gehen, wenn man ausgeraubt wird. Also hat man entweder nur wenig von dem Zeug in der eigenen Wohnung, bewaffnet sich oder kennt einfach die richtigen Leute.

Wie handhabst du das?

Die einzige Waffe, die ich im Haus habe, ist mein Nunchaku (zwei durch eine Kette verbundene Stäbe, Anm. d. Red). Damit würde ich mich im Ernstfall wahrscheinlich selbst k. o. hauen. Bisher lief aber alles einigermaßen glimpflich. Einmal wurde meine Wohnung gestürmt, die Typen haben aber das falsche Paket mitgenommen. Der Schaden war also überschaubar.

Am Samstag wird in Berlin unter dem Motto „Meine Wahl? Hanf legal!“ für die Legalisierung des Haschischkonsums und ein Umdenken in der Cannabispolitik demonstriert. Die Route führt ab 13 Uhr vom Zoo über die CDU-Zentrale bis zum Brandenburger Tor. Mehr Infos: www.hanfparade.de

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8 Kommentare

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  • DC
    Der Comicladenbesitzer

    Geht's noch?

     

    Das Thema ist heikel genug, um da ein bisschen mehr zu anonymisieren. Wieviele Comicladenbesitzer gibt es denn wohl in Berlin?

    • CH
      Christian Harten
      @Der Comicladenbesitzer:

      Wenn du der im Artikel genannte Comicladenbesiter wärst, dann bräuchte die Polizei deine IP von der taz herauspressen und könnte gut ermitteln aber so doof ist ja keiner, bei so einem heikelen Thema.

  • Liebe taz, das heißt heute nicht mehr Kindergärtner, der Beruf nennt sich Erzieher. Schöne Grüsse von einer angehenden Erzieherin, die ihre Berufsbezeichnung nicht gerne in einem Satz mit dem Word "Dealer" lesen möchte. Daher - doch alles richtig formuliert! Der Kleinkriminelle ist wahrscheinlich doch nur Gärtner für Kinder und hoffentlich kein ausgebildeter Erzieher.

  • E
    Emil

    Drogenhändler als Kindergärtner geht, falsche politische Meinung des Ehemanns nicht, verrücktes Land. Aber macht nur so weiter.

  • O
    Oscho

    Wozu besitzt jeder Mensch ,ein Endo-Cannabinoidsystem ?

     

    Damit die Deutsche Drogenpolitik Demokratisiert werden kann ,u.a. .

  • IH
    IG Hanf bei den Piraten

    Prohibition ist tödliche Sabotage der Gesellschaft und steht im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung:

     

    Die etablierten Parteien erzeugen durch gesundheitspolitisch kontraproduktive Drogenverbote mit voller Absicht unnötige Kriminalität, verfolgen Millionen Unschuldige und verursachen volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe - um der Klientel Marktvorteile zu sichern und sich vor dem Hintergrund hausgemachter Gefahren als Beschützer zu gerieren, Rechte abzubauen, Resourcen zu verschwenden und die Bevölkerung zu überwachen.

     

    Seit Jahrzehnten sorgt diese Politik dafür, dass bei Polizei und Justiz ausschließlich Menschen eingestellt werden, die aus Sadismus, Eigennutz oder Ignoranz bereit sind, Unschuldige zu verfolgen.

     

    Dank Verboten bleiben nicht Millionen von Menschen einfach nüchtern, sondern werden allenfalls dem Alkohol, Tabak, Medikamenten, Forschungschemikalien, legalen Naturdrogen, "Schnüffelstoffen" etc. zugetrieben. Hinzu kommen im Falle der willkürlich illegalisierten Substanzen der Reiz des Verbotenen, die effektive Verunmöglichung von Jugendschutz und Schadensminimierung, Szenenbildung und finanzielle Anreize durch überhöhte Preise.

  • Ich will das Cannabis legalisiert wird, damit unsere Kinder nicht mehr von Kriminellen in den Kindergärten erzogen werden. Also wenn die Kindergärtner sich dann als "Job" nicht was anderes aussuchen. Wird ja sicher eine Lücke ins Monatseinkommen reißen. Wird sich sicher noch was anderes im Schwarzdunkelgrauen Bereich finden lassen was man sich moralisch zurechtquatschen kann. Wie wär es mit gefälschten BVG-Tickets? BVG sollte ja eh umsonst sein. Oder wie wäre es mit der gehackten Variante der elektronischen Ausgabe der taz? Unversteuerten Zigaretten? Man findet schon was wenn man will...

     

     

     

    Nur das Cannabis legalisiert werden sollte wäscht die Dealer nicht Moralisch rein. Sie bleiben Kriminelle. Niemand zwingt die Dealer zu dealen. Jeder einzelne Konsument mag gezwungen sein, sich das illegal zu beschaffen, aber bei den Dealern kann man es nicht sagen. Sie könnten einfach nur Kindergärtner sein.

    • S
      Sascha
      @Tim Leuther:

      Cannabis zu verkaufen ist nicht unmoralisch.Gesetzwidrig ja, aber nicht unmoralisch.

       

       

       

      Unmoralisch ist es,

       

      Marihuana mit Glasstaub zu vermengen oder Haschisch mit Strichnin und Opiaten zu versetzen,

       

      Cannabis an Kinder und Jugendliche abzugeben oder unter Einfluss von Cannabis Auto zu fahren.

       

       

       

      Von obigem Kindergärtner erwarte ich jedoch, dass er im Kindergarten zu 100% vollkommen klar ist.Auch nur einmal "dicht" im Kindergarten auftauchen geht gar nicht.