piwik no script img

Kinderarbeit für UelzenVorteil durch Ausbeutung

Weil Kinderhände billiger arbeiten, wehrt sich die Kreisverwaltung Uelzen dagegen, auf die Herkunft ihrer angeschafften Produkte zu achten. Der Verzicht käme nicht unmittelbar den Kreiseinwohnern zugute.

Fertigt vielleicht Produkte für Uelzen: Ein 15-jähriger Junge in einer Aluminiumfabrik in Bangladesh. Bild: dpa

Als "entscheidenden Wettbewerbsvorteil" hat die Kreisverwaltung Uelzen die niedrigen Löhne bei Kinderarbeit bezeichnet. Damit antwortete Landrat Theodor Elster auf einen Antrag der Kreistags-Fraktion der Grünen, der die Verwaltung auffordert, keine Produkte aus Kinderarbeit mehr zu kaufen. Die Beschlussempfehlung, die der Landrat stellvertretend für die Verwaltung vor der Abstimmung im Kreistag gab, sorgt nun für Wirbel in Uelzen.

Elster behauptete in der Stellungnahme unter anderem, dass "eine solche Klausel Kosten" erhöhen würde. Außerdem entstünde in den Vergabestellen "ein höherer Aufwand bei der Prüfung der Nachweise". Gegen die Selbstverpflichtung der Verwaltung spreche "gerade der Faktor Lohnkosten bei der Herstellung von Produkten mit Kindern". Und schließlich würde der Verzicht auf Produkte aus Kinderarbeit nicht "unmittelbar den Kreiseinwohnern zugute" kommen, schrieb Elster. Deshalb empfahl der Landrat und Vorsitzende des Kreisausschusses, den Antrag abzulehnen.

Am vergangenen Dienstag aber, dem Tag der Kreistagssitzung, meldeten die Fraktionen der CDU und SPD kurzfristig Beratungsbedarf an. Der Antrag wurde daraufhin verschoben. "Sie sind sich der Brisanz jetzt erst bewusst geworden", sagte Martin Feller, Kreistagsabgeordneter der Grünen, am Mittwoch. Denn inzwischen haben auch die Lokalnachrichten die Witterung aufgenommen.

Ihm sei fast die Kinnlade herunter geklappt, sagte Feller über die Stellungnahme der Uelzener Verwaltung. Schließlich fordere der Antrag der Grünen nichts anderes, als die von der Bundesrepublik ratifizierte Konvention gegen Kinderarbeit einzuhalten. Feller zufolge könnte der Landkreis bei vielen Produkten darauf achten, ob die Hersteller das genannte Kriterium erfüllen. So etwa bei der Beschaffung von Arbeitskleidung und Uniformen. Außerdem gebe es so genannte gefährdete Produkte, die nicht selten aus Kinderhänden stammen. Dazu zählten Sportartikel, Teppiche, Pflastersteine sowie Holzprodukte. Mehr als 170 deutsche Kommunen haben sich bereits dazu verpflichtet, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu kaufen.

Landrat Elster versteht die Aufregung indes nicht. "Wir sparen, wo wir können", sagte er am Mittwoch der taz. Der Landkreis Uelzen kämpft derzeit mit einem Haushaltsloch von 9,6 Millionen Euro. Seine Aussage, billige Löhne aus Kinderarbeit seien ein Wettbewerbsvorteil, wolle er nicht zurücknehmen. "Ich stehe dazu", sagte er. Warum der Antrag nicht - wie Elster empfohlen hatte - abgelehnt, sondern vertagt wurde, wisse er nicht.

Städte gegen Kinderarbeit

Viele deutschen Städte und Kommunen haben bereits beschlossen, ihren öffentlichen Einkauf aus Produktionen ohne Kinderarbeit zu organisieren.

In Niedersachsen haben sich mittlerweile zehn Städte und Landkreise dazu verpflichtet, darunter Wolfsburg, Göttingen, Emden und Hannover.

Die Bundesregierung unterstützt die Internationale Arbeitsorganisation (Ilo) im Kampf gegen die Kinderarbeit. Sie setzt sich für die weltweite Ratifizierung der Ilo-Konvention zur Verhinderung von Kinderarbeit ein.

Rund 218 Millionen Kinder müssen laut Ilo arbeiten, oft unter ausbeuterischen und gesundheitsschädlichen Bedingun

Was für die Kreisverwaltung Uelzen unmöglich erscheint, wurde in der dazugehörigen Samtgemeinde Bevensen bereits abgesegnet. Der Grüne Martin Feller ist dort ebenfalls Ratsmitglied. Auf den wortgleichen Antrag, auf Produkte aus Kinderarbeit zu verzichten, sei überraschend positiv reagiert worden. "Die Verwaltung teilte mir mit, dass sie sowieso schon darauf achte", sagte Feller.

Seit einer Reise durch Nepal sei für Feller der Kampf gegen Kinderarbeit eine Herzensangelegenheit. Dort habe er Kinder gesehen, die unter gefährlichen Bedingungen in einem Steinbruch Pflastersteine herstellen mussten. "Das war gruselig", sagte er. Dass Feller in seiner Heimat mit dem Antrag gegen Kinderarbeit keinen Erfolg haben könnte, damit habe er zuvor nicht gerechnet. Ihm sei klar, dass die Uelzener nicht unmittelbar von dieser Selbstverpflichtung profitierten. "Aber nur, wenn man es rein monetär berechnet", sagte Feller. Nun warte er die kommende Kreistagssitzung ab, ob die Abgeordneten dem Nein des Landrates folgen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • AG
    Aktiv gegen Kinderarbeit

    Wer erfahren möchte, ob die eigene Stadt, Gemeinde, Landkreis oder Bundesland bereits beschlossen haben, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit mehr zu kaufen, kann sich auf der Deutschlandkarte der Kampagne "Aktiv gegen Kinderarbeit" einen Überblick verschaffen:

    http://deutschland.aktiv-gegen-kinderarbeit.de

    Ihr findet auf der Website auch Infos dazu, welche Produkte aus welchen Ländern betroffen sein können und wie sich die Firmen in Deutschland zum Thema positionieren.

  • A
    anke

    Machen wir einen Deal: In dem Moment, wo die Essener Grünen beginnen, den 230 ha großen sog. Krupp-Gürtel zu bekämpfen, auf dem zwischen ihrer Innenstadt und Altendorf die neue Krupp-Konzernzentrale mit Jobs für 2.500 bisher noch in Düsseldorf beschäftigte Mitarbeiter entsteht, glaube ich den Uelzener Grünen auch ihre starke Betroffenheit angesichts der armen Kleinen, die in Steinbrüchen, auf Teeplantagen, in Teppichknüpfereien und auf Fischfangplattformen für wenige Cent schuften. Ein im Krieg getötetes Dritte-Welt-Kind nämlich ist noch immer ertragreicher als ein versklavtes, auch und gerade für die Kommunen und ihre Politiker. Es wäre also noch um einiges heldenmmütiger, den wirklich großen Verbrechen den Kampf anzusagen - und vor Ort die Konsequenzen zu tragen.

     

    Übrigens: Ich finde es bezeichnend, dass man im Internet, wo sonst eigentlich jeder für alles wirbt, niemanden findet, der sich freiwillig als Rüstungs-exporteur oder Kriegswaffenhersteller outet. Die taz, immerhin, outet Elton John als Denunzianten eines schwulen Jesus. Man könnte das einen Anfang nennen, wenn man wohlgesonnen wäre.

  • TS
    Thea Schäfer

    Ich glaub, ich steh im Wald. És gibt scheinbar nix was es nicht gibt. Heisst das jetzt Uelzen kauft möglichst nur Produkte aus Kinderarbeit? Weil die sind ja billiger... Warum zieht Uelzen nicht gleich Harz IV Kinder zum Straßenkehren etc heran? Die sind auch ganz billig zu haben - man bin ich sauer...

  • US
    Uwe Sak

    Eine Gesellschaft in der es heißt "Hauptsache Arbeit" ist nicht weit davon entfernet, dass auch bei ihr selber die Kinderarbeit wieder salonfähig wird. Auch die Argumente lassen dann nicht auf sich warten: Für Arbeitsplätze und Wohlstand bzw. dem Wirtsschaftsstandort Deutschland sei das nun mal notwendig. Und die Unternehmen werden sich dann noch als soziale Wohltäter aufspielen: "Wir holen die Kinder von der Straße."

  • RM
    Renate Meyer-Wandtke

    Ihren Kommentar hier eingeben

    In unserem reichen, satten Land gibt es k e i n e n

    Grund, Nutzen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu ziehen.

    Kinderrechte sind Menschenrechte, und der Artikel 1 des Grundgesetzes - Die Würde des Menschen ist unantastbar - gilt auch für Kinder, überall.

    Wer dieses u n v e r ä u ß e r l i c h e Grundrecht nicht akzeptieren will, sollte sich aus dem Wirkungskreis des Grundgesetzes verabschieden oder zumindest seine aus Steuergeldern finanzierte/entschädigte Tätigkeit (sei es haupt- oder ehrenamtlich) beenden, und zwar sofort, damit nicht noch mehr Schaden angerichtet wird.

    Renate Meyer-Wandtke

    Uelzen