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BürgergeldFast jede dritte Sanktion trifft ein Kind

Erschreckende Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: In einem Drittel der sanktionierten Haushalte leben Kinder. Die Bundesregierung plant trotzdem weitere Verschärfungen.

Schon jetzt gibt es zuviel Kinderarmut in diesem Land Foto: Gabriel/Funke Foto Services/imago
Jasmin Kalarickal

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Jasmin Kalarickal aus Berlin

taz | In fast jedem dritten sanktionierten Bürgergeldhaushalt lebt mindestens ein minderjähriges Kind. Das geht aus aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor, die die taz abgefragt hat. Im Juni 2025 gab es demnach 2.883.181 Bedarfsgemeinschaften. 35.512 Haushalte davon wurden sanktioniert, waren also wegen Pflichtverletzungen oder Meldeversäumnissen von einer Leistungskürzung betroffen. Das entspricht 1,2 Prozent. Es ist also nur eine kleine Minderheit, die überhaupt von Sanktionen betroffen ist.

Erschreckend ist aber: Unter den 35.512 sanktionierten Haushalten gab es 11.115 Haushalte – das entspricht 31,3 Prozent –, in denen mindestens ein minderjähriges Kind lebte. Die Zahl 11.115 beschreibt das Minimum an betroffenen Kindern. Denn aus den Zahlen der Bundesagentur geht nur hervor, ob ein Kind in der sanktionierten Bedarfsgemeinschaft lebte, nicht aber, wie viele es tatsächlich waren.

Das ist vor dem Hintergrund der anstehenden Bürgergeldreform keine irrelevante Zahl. Erst vergangene Woche hat Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) regierungsintern einen ersten Referentenentwurf vorgelegt, um das Bürgergeld zu reformieren. Im Kern beinhaltet der Entwurf schnellere und härtere Sanktionsmöglichkeiten. Vorgesehen ist, dass bei Pflichtverletzungen die Leistungen künftig direkt um 30 Prozent für bis zu drei Monate gemindert werden können. Wenn eine Person ein konkretes Arbeitsangebot ablehnt, soll in Zukunft der komplette Regelsatz gestrichen werden können.

Auch für Menschen, die wiederholt nicht zu Terminen im Jobcenter erscheinen, sind härtere Sanktionen geplant. Ab dem zweiten Meldeversäumnis soll die Leistung um 30 Prozent gekürzt werden. Nach drei aufeinanderfolgenden versäumten Terminen soll der Regelbedarf vorerst nicht mehr ausgezahlt werden, aber die Mietkosten werden weiter übernommen.

Erscheint die betroffene Person danach weiterhin nicht, entfällt der Leistungsanspruch komplett. Sprich: Auch die Mietzahlungen werden eingestellt. Leben jedoch weitere Personen im Haushalt, sollen die sogenannten Kosten der Unterkunft weitergezahlt werden.

Ein Bündnis aus Sozialverbänden und Gewerkschaften warnte vor schwerwiegenden Folgen solcher Verschärfungen. „Wohnungslosigkeit darf kein politisches Druckmittel sein“, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten offenen Brief. Die Sanktionsverschärfungen würden nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien treffen, etwa Kinder oder pflegebedürftige Angehörige.

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