Kinder fragen, die taz antwortet: Gibt es Worte für die Liebe?
Wir beantworten Fragen von Kindern. Lior, 9 Jahre, möchte wissen: Warum kann man seine Liebe nicht beschreiben?
Lieber Lior – da ist sie schon, die Liebe, gleich in der Anrede. Überall taucht sie auf. Selbst im Supermarkt, wenn die „lieben Kundinnen und Kunden“ per Lautsprecher über Angebote informiert werden. Das heißt nicht, dass die Stimme am Mikrofon ihre Kunden wirklich liebt. Aber du meinst sowieso etwas anderes, denke ich. Du meinst die Liebe zwischen Menschen. Auch sie begegnet uns ständig, zum Beispiel in Filmen. Und natürlich im echten Leben: Du liebst deine Eltern und sie lieben dich.
Wenn die Liebe überall ist, sollte es nicht so schwer sein, sie zu beschreiben, dachte ich. Aber du hast recht: Probiert man das, scheint es fast, als würde sich die Liebe vor den eigenen Worten verstecken. Warum nur?
Womöglich liegt es daran, dass die Liebe ein Gefühl ist. Und Gefühle lassen sich nie so leicht in Worte fassen. Wenn du traurig bist, wie fühlt sich das genau an? Mir zumindest fällt es schwer, das zu beschreiben. Da ist bloß diese Schwere, ganz tief drinnen. Oder eben diese wohlige Wärme, wenn man liebt.
Als Erklärung reicht das nicht aus, denn die Liebe ist kein Gefühl wie jedes andere. Sie ist besonders stark, weil sie einen Menschen so glücklich oder so traurig machen kann wie kaum etwas anderes. Und sie ist besonders kompliziert, weil man sie nicht erklären kann. Wenn du dich von deinen Eltern ungerecht behandelt fühlst und deshalb wütend wirst, weißt du, woran es liegt. Aber wenn man jemanden liebt, ist es nicht so leicht zu sagen, wo diese Liebe eigentlich herkommt. Sie ist einfach da. Man weiß, dass man liebt, ohne zu wissen, warum. Vielleicht lässt sich etwas, das man kaum erklären kann, auch nicht so gut beschreiben. Das wäre meine Vermutung.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Schriftstellerinnen und Dichter schreiben gern über die Liebe. Weil aber auch sie nicht wirklich weiterwissen, nutzen sie oft Bilder und Vergleiche, um dem Gefühl auf die Schliche zu kommen. „Meine Liebe ist so groß wie der Mond.“ Das habe ich irgendwo mal gehört, aber richtig gut finde ich es nicht. Schöner ist dieser Satz: „Deine Umarmung, sie ist mein Haus.“ Fallen dir andere Vergleiche ein? Beim Versuch, die Liebe zu beschreiben, entstehen die schönsten Kunstwerke.
Kennst du das, wenn man sagt, etwas ist unbeschreiblich schön? Unbeschreiblich. Ich denke, so ist das mit der Liebe. Worte reichen für sie nicht aus. Vielleicht müssen wir damit einfach leben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden