piwik no script img

Kind und TierVom Wert des Esels für den Kiez

Seit 30 Jahren schon treffen sich auf dem Kinderbauernhof im Görlitzer Park junge Großstadtbewohner. Am Samstag wurde gefeiert.

Ein sympathischer Zeitgenosse: der Esel. Bild: reuters

Heute ist es noch viel voller als sonst. Kinder, Eltern, Nachbarn und geladene Gäste drängen sich zwischen Gänseteich, Werkstatt und Kräuterspirale, die Kleinen rösten Stockbrot am Lagerfeuer, die Großen trinken Kaffee. Eine Eselskutsche dreht ihre Runden, ein Clown stakst auf hohen Stelzen übers Gelände. Es gibt allen Grund zu feiern: Der Kinderbauernhof im Görlitzer Park feiert sein 30-Jähriges. Seit 1982 leben Esel, Schafe, Schweine, Hühner und Karnickel hier, mitten in Kreuzberg.

„Das Besondere auf diesem Kinderbauernhof ist, dass so viele Kulturen aufeinandertreffen“, sagt Alexandra Diezemann von Mensch Umwelt Tier e. V. – neben dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg der größte Geldgeber des Hofs. Bauernhof-Leiterin Claudia Hiesl nickt zustimmend: „Das war schon vor 30 Jahren so.“ Damals waren auch Uwe, Molly und Doro schon dabei. Sie stehen gerade vor einer Fotowand und lachen über ein Foto des damals 15-jährigen Uwe.

Auch Kenos Familie hat hier Geschichte. Keno ist drei, er mag die Schweine und „den großen Baum“. Seine Mutter Mina ist heute 35. Als sie fünf war, hat sie mit dem Eselskarren bei umliegenden Läden Gemüse gesammelt. Und irgendwann haben sie mal den Raum gemietet und für Oma eine Party geschmissen.

Der Bauernhof ist eine feste Größe im Kiez, sozial und deshalb auch politisch. Bezirksbürgermeister Franz Schulz und Bezirksstadträtin Monika Herrmann (beide Grüne) loben die „Kreuzberger Institution“. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele ist gekommen. „Ich begleite den Kinderbauernhof von Anfang an. Und 1994 habe ich mit einem Esel vom Hof Wahlkampf gemacht“, erinnert er sich.

Der Hof war von Anfang an ein Gemeinschaftsprojekt. 1982 bauten Eltern, Kinder und NachbarInnen die ersten Ställe und Gemeinschaftsräume. 2002 wollte der Bezirk die Zuschüsse streichen, es wäre das Aus für die Einrichtung gewesen. Aber der Protest war vernehmlich und ausdauernd. Irgendwann war klar: Der Hof bleibt. Er ist ein Projekt geblieben, das vom Engagement vieler lebt. Gerade kommt ein Anwohner vorbei und lässt einen Karton mit leeren Honiggläsern da. Bienen gibt es inzwischen auch im Görlitzer Park.

Blanca und Barnas, beide schon etwas älter, stehen an der Bühne und sehen beim Aufbau zu. Sie spielen bei „Tigerflash“, einer der Bands des Kinderbauernhofs. Auch Ruby und Khadidja gehören dazu. Khadidja ist elf und kommt jetzt seit zwei Jahren. Damals hat sie den Tierführerschein gemacht. Das müssen alle Kinder, die regelmäßig mitmachen, zurzeit sind es etwa 40. Ruby schwärmt: „Wir haben unser eigenes Mädchenbaumhaus gebaut!“ Barnas kommt seit neun Jahren, nur wegen der Musik, die anderen drei haben sich früher um die Tiere gekümmert, jeden Monat um ein anderes.

Während die nächste Kutschfahrt ausgerufen wird, geht auch die Bühnenshow weiter: PR Kantate tritt auf. Sein Berliner Sommerhit von 2003 ist auf dem Kinderbauernhof weiterhin aktuell und wird es bleiben: „Görli, Görli!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!