talk of the town
: Ohne Maske

Kim Kardashian feiert mit ihren Covid-getesteten Lieben Geburtstag auf einer Privatinsel. Vor uns muss sie sich deswegen nicht schämen: Wir haben auch gar keine Zeit

Foto: KimKardashian/Twitter

Von Ambros Waibel

Wer in der Münchner Alten Pinakothek auf das Bild „Das Frühstück“ stößt, sieht zunächst eine Genreszene: Einer wunderschönen jungen Dame mit Dekolleté und sorgsam gelegtem Haar wird die Morgenschokolade serviert. In dem Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenen Pastell nimmt sie zwei Drittel des Raumes ein; und wenn wir ihre Haltung beschreiben wollten, so müssten wir ihr ein glänzendes, ja provozierendes Selbstbewusstsein bescheinigen. Wem gegenüber aber äußert sie es? Nicht uns. Ganz am linken Rand steht ein noch mal jüngeres Mädchen, die Dienerin, die der Dame aufwartet. Ihr Haar steckt unter einer Haube, ihre Brust ist bedeckt, der Blick ist fest nach unten gerichtet. Sie ist es, der die Machtdemonstration der Befrühstückten gilt. Sie, deren Mund zusammengepresst ist und deren kleine Hände das Tablett umklammern.

Als der Maler der Szene, der Schweizer Jean Étienne Liotard, 1789 starb, waren es solche Dienerinnen, die den Damen der Aristokratie die Schokolade ins Gesicht kippten und die begeistert aufschrien, wenn die Henker an der Guillotine die abgeschlagenen Aristokratinnenköpfe in die Höhe hielten. Betrachten wir heute auf Twitter die arkadischen Bilder der feiernden Kardashians anlässlich des 40. Geburtstags von Kim Kardashian auf einer Privatinsel, dann haben wir solche Gefühle nicht. „Get rich or die trying“ ist uns als lebenspraktische Maxime schon so weit in Fleisch und Blut übergegangen, dass nicht mal härteste Fakten uns mehr in die Untiefen des Klassenhasses stürzen können. „Die Milliardäre der Welt haben sich während der Coronavirus-Pandemie extrem gut geschlagen und ihr ohnehin schon riesiges Vermögen um ein Viertel auf ein Rekordhoch von 10,2 Milliarden Dollar gesteigert“, fasst der Guardian eine Erhebung der Schweizer UBS-Bank zusammen. Und die Vermögens­un­gleichheit in den USA, liest man, sei größer als die zu Zeiten der Revolution in Frankreich 1789.

Lasst sie doch feiern, die Kim Kardashian – sie hat eh nicht so richtig viel, nur 750 Millionen Dollar –, wir müssen uns im Hamsterkauf die letzte Hefe für den Butterzopf bei Lidl sichern. Was ansteht zur Krisenbewältigung ist doch, mit dem Journalisten Paul Mason gesprochen, eher die „klassische Allianz der Elite mit dem Mob“. Was genau davon die Kardashians bereits topaktuell verkörpern, müssen andere beurteilen – vielleicht ja diejenigen, die ihnen, natürlich mit Maske, das Frühstück servieren.