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Kiel-„Tatort“ mit Lars EidingerKai Korthals ist zurück

Der neue „Tatort“ ist der dritte Teil um den von Lars Eidinger gepielten Serienmörder. Es ist ein richtig guter Krimi – nicht nur der Dialoge wegen.

Szene aus „Borowski und der gute Mensch“: Sabine Timoteo und Lars Eidinger – einander verfallen Foto: Thorsten Jander/NDR

Kurzes Zögern, dann Stutzen, kurz auf „Pause“ drücken. Ja, doch, das Gefühl, das sich hier einstellt, ist fast fremd geworden übers Jahr: Dieser Sonntagskrimi ist richtig, richtig gut.

Der Film

„Tatort: Borowski und der gute Mensch“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

Klar, Themen, Plot-Ansätze, Stereotypen-Umschiffung, all das war schon in anderen Folgen lobenswert seit Januar. Aber der Kieler „Tatort“ „Borowski und der gute Mensch“ verbreitet die wärmende vergnügte Laune eines rundum runden Fernsehfilms: super gespielt, herausragende Dialoge (Buch: Sascha Arango), großartig inszeniert von Regisseur Ilker Çatak und gefilmt (Kamera: Judith Kaufmann). Und wie Çatak Songs platziert, ist der Hammer.

Als wäre das nicht genug, ist dies der dritte Teil einer Reihe: Serienmörder „Kai Korthals“ ist wieder da. Und damit der bestausgezogene deutsche Schauspieler, der x-fach prämierte Lars Eidinger.

Keine Sorge, dieser Teil funktioniert, ohne die Vorgänger mit dem „Stillen Gast“ zu kennen. (Wer den Grundkurs absolvieren will: Die beiden ersten Korthals-Folgen von 2012 und 2015 stehen in der Mediathek.)

Mit sich hadern

Einzige Notiz: In der ersten Folge knebelte Korthals Borowskis damalige Kollegin (Sibel Kekilli), in der zweiten entführte er Borowskis frische Verlobte (Maren Eggert). Allein die Präsenz des Serienmörders, der sich trickreich aus dem Gefängnis gestohlen hat, lastet daher diesmal noch schwerer auf Borowskis Gemüt. Der bringt unterwegs Menschen um, entführt andere, schleicht sich beim Kommissar ein. Und hadert mit sich. Derweil ermittelt sich das Duo Borowski und Mila Sahin (Almila Bagriacik) immer näher an ihn ran.

Von der Liste der Dinge, die so vergnüglich stimmen: Schon allein Borowskis Wohnung, die Tischtennisplatte quer ins Arbeitszimmer gequetscht, seine Ex-Verlobte als kleines Ölpor­trät an der Wand. Dazu die neue Figur, die wundervolle Victoria Trauttmansdorff als Borowskis Putzfrau, wie ein Versprechen, dass sie nun fest im Ensemble ist (nur ihr – logo – osteuropäischer Akzent nervt). Die beiläufigen, brillanten Dialoge der beiden. Natürlich auch: Wie Sabine Timoteo die blinde Korthals-Verehrerin spielt, die Szenen, die sie und Eidinger zusammen hinlegen, als machten sie nichts anderes. Dass Korthals durch eine Polizeisperre radelt und dabei das „Peter“-Motiv aus „Peter und der Wolf“ pfeift.

Nur eines passt nicht: In der Eingangssequenz probt das Gefängnislaienspiel Schillers „Räuber“. Korthals ist als Schauspieler viel zu gut. Unverkennbar: Hier gibt Eidinger Eidinger. Könnte schlimmer sein.

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1 Kommentar

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  • Mit Tatort-Filmen habe ich wenig Erfahrung, sehe vielleicht 3, maximal 5 im Jahr. Jetzt war ich aber mal gespannt und dann ziemlich enttäuscht. Abgesehen von der Konstellation Borowski/Korthals keine Originalität. Keine Poesie. Eine Collage von Einzelszenen, die ich nicht satirisch verstehen konnte, weil sie keiner Idee entsprachen, sondern wie unpassende Teilchen eines Puzzles nicht zusammenfanden. Nicht zueinander in Beziehung standen. Karikaturen von Personen, die sich surreal verhielten und isoliert angeordnet waren (die Gefängnisleiterin und ihre Staff, Kollegen von Borowski, die Mitgefangenen etc, na ja Ausnahme Mila Sahin). Die Szenerien tot und gestückelt. Kulisse wie bei einem Lars von Trier-Bühnenstück. Die Ästhetik empfand ich wie bei einer Doku über Billigfleisch-Fabriken indes ohne den politischen Sinn. Krassheit ohne Flow. Organisch war der Film wie eine absichtlich verfremdete und damit perfekte Kulisse für den Künstler Eidinger. Alles andere ruckelte irgendwie hintereinander weg. Die Balkonszene mit Borowskis Rettung – surrealistisch, wenn es nicht kitschig war. Das tropfende Blut aus dem gepressten Schrottpaket war herrlich, aber nur weil es mich an Tarantino erinnerte. Das Expressionistische zwar artistisch sprunghaft wie in Döblins Alexanderplatz. Dialoge, Handlungen, Orte, Ereignisse, die nur für sich selbst stehen in einer dissoziierten Welt, aber außer der Abbildung eines Berges seltsamer Abweichungen keine Melodie ergeben, keinen Groove. Man konnte zwischendurch rausgehen, unterbrechen, dann weiterschauen, ohne einen Anschluss zu verpassen, weil es immer neue Interessantheiten gab, die aber auf der Stelle traten, indem sie hintereinandergeschaltet waren. Das mag alles so gewollt gewesen sein, Ent-/Verfremdung, Surreales, Thrill, Kontrast von Zartheit und Brutalität, Pseudopsychologie, doofe Polizei, das war prima intensiv. Aber irgendwie doch nur hingeschmissen. Sorry, das war dissoziiert für mich. Und damit gelungen, wenn so gewollt.