Kerniger neuer CDU-Chef: Ohne Träume an die Spitze
Der designierte Hamburger Vorsitzende Roland Heintze will die Christdemokratie nicht neu erfinden, sondern zu ihren Wurzeln und zur 30-Prozent-Marke zurückführen.
Roland Heintze liebt es kernig. Es geht ihm um „Kernthemen“, die er wieder besetzen, und um „unsere Kernwähler“, die er zurückgewinnen will. Zunächst aber will der PR-Berater am morgigen Dienstag Vorsitzender der Hamburger CDU werden und dass dieser Job wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, schreckt den 41-Jährigen nicht: „Masochistisch bin ich auch nicht“, sagt er, „sondern hoch motiviert.“ Und außerdem: Viel schlimmer kann es ja nicht werden.
Hamburgs Christenunion liegt am Boden. Nur noch katastrophale 15,9 Prozent der Stimmen erreichte sie bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar – das schlechteste Ergebnis aller Zeiten, noch schlechter als der bisherige Minusrekord von 21,9 Prozent aus dem Jahr 2011. Das hatten Kurzzeit-Bürgermeister Christoph Ahlhaus und der damalige Parteichef Frank Schira mit ihrem Rechtskurs eingefahren. Jetzt scheiterte Spitzenkandidat Dietrich Wersich gemeinsam mit Parteichef Marcus Weinberg mit ihrem Kursschwenk hin zur liberalen Großstadtunion noch krachender – beide zahlten mit dem Verlust ihrer Posten.
Der neue Fraktionsvorsitzende André Trepoll ist bereits im Amt. Nachdem der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse seine Kandidatur zurückzog, ist Heintze einziger Bewerber um den Posten des Parteivorsitzes. Auch für ihn persönlich war die Wahl im Februar einschneidend: Er verlor sein Bürgerschaftsmandat.
„Die Partei ist zu wenig sichtbar gewesen“, ist seine Analyse, „die CDU muss lebhafter werden.“ Das hatte zwar Weinberg bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren auch gesagt und eine „Zukunftskommission“ eingesetzt – die aber niemals Ergebnisse lieferte. Heintze hingegen will für „mehr Lebendigkeit, mehr Debatte, mehr Inhalte“ sorgen.
Roland Heintze, 41, ist gebürtiger Hamburger.
Beruf: Der Diplom-Politologe ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Faktenkontor GmbH, einer Hamburger PR-Agentur für Unternehmenskommunikation.
Politik: 1998 bis 2004 Mitglied der Bezirksversammlung Eimsbüttel, 2004 bis 2015 Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft, zuletzt stellvertretender Fraktionsvorsitzender und haushaltspolitischer Sprecher.
Abwahl: Scheiterte 2014 beim Versuch, ins Europaparlament gewählt zu werden, am schlechten Hamburger CDU-Ergebnis. Aus demselben Grund verlor er bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 sein Mandat im Parlament.
Seine beiden „Kernthemen“ sind innere Sicherheit und Wirtschaft. Dort müsse die CDU wieder mehr Profil zeigen, mehr Glaubwürdigkeit aufweisen. Und zugleich zerrungsfrei einen Spagat machen, den er lieber „programmatisch“ als „ideologisch“ begriffen haben möchte. „In der inneren Sicherheit müssen wir konservativ sein, in der Wirtschaft liberal.“
Also mehr Polizei, härtere Strafen und höhere Aufklärungsquote fordern hier, und dort „ein Bündnis mit der Wirtschaft gegen Rot-Grün schmieden“. Die Erfahrung mit dem SPD-Senat von Olaf Scholz sei für die CDU vernichtend: „Die Wirtschaft hat die CDU nicht mehr ernst genommen und offen zur Wiederwahl von Scholz aufgerufen“, sagt Heintze. „So können wir nichts gewinnen.“
Und dann müsse man „unserer bürgerlichen Kernwählerschaft“ vermitteln, dass die gute, alte CDU wieder da sei. Vielleicht nicht die glorreiche des Ole von Beust mit seiner absoluten Mehrheit, aber eine, die ihren Blick mal wieder in Richtung der 30-Prozent-Marke richte. Vorher dürfe die CDU bei Wahlen doch auch nicht mit einem „Bürgermeister-Kandidaten“ kommen, sagt Heintze, das nehme doch niemand ernst. Alle in der CDU und außerhalb hätten doch seit Langem gewusst, dass Dietrich Wersich keine Chance gehabt habe, Bürgermeister zu werden. „Das war nicht seine Schuld“, sagt Heintze, „aber die Realität. Und an der muss man sich orientieren.“
Träume also sind Heintzes Sache nicht, der auch als Haushaltspolitiker in der Bürgerschaft lieber mit exakten Zahlen und Fakten jonglierte als Luftschlösser zu bauen. Erstmal müsse die Partei neu strukturiert werden, auch fehle etwas Geld wegen der geringeren Spenden und geringeren Wahlkampfkostenerstattung. Bis zur Sommerpause will Heintze Inventur machen, dann Handlungsempfehlungen vorlegen, „und in zwei Jahren müssen wir kampagnenfähig sein“, so sein nüchternes Ziel.
Denn im September 2017 steht schon wieder eine Bundestagswahl an, „und da brauchen wir dringend mal wieder ein Erfolgserlebnis“.
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