: Keine prunkvoll gegossenen Formen
Hamburgs Cineasten müssen wieder Farben bekennen: Außer den Reihen Lila, Blau, Rot und Schwarz bringen Gala, Tesa, Prisma und TV-Movies Made in Hamburg zum Filmfest neben erprobtem viel ausgefallenes Kino nach Hamburg
von CORINNA KAHL
Nein, den glanzvollen Klang von Venedig, Cannes oder Berlin hat Hamburg nicht, wenn es um die Global Players der Filmindustrie geht. Hollywood war und ist nicht namhaft vertreten auf dem Roten Teppich, den die Organisatoren vom Filmfest am Montag wieder vor dem Cinemaxx Dammtor entrollen.
Was die in acht Jahren geformte Originalität des Hamburger Filmfests ausmacht, will auch gar nicht in die prunkvoll gegossenen Formen der großen Gala-Events passen: Neue Filme von jungen Regisseuren, Debütfilme, publikumstauglich auch jenseits des Mainstreams, Außergewöhnliches aus dem Ausland – ein Großteil der auf dem Filmfest gezeigten Filme wird in Deutschland gar nicht erst in die Kinos kommen. Zunächst.
Den Gewinner des diesjährigen Douglas-Sirk-Preises konnte Festival-Leiter Josef Wutz bereits vor 14 Jahren in Hamburg begrüßen: Damals stellte er Aki Kaurismäki beim Europäischen Low Budget Film Forum als „Geheimtipp“ vor. Am kommenden Freitag erhält der finnische Minimalist im Rahmen der Deutschlandpremiere seines neuen Films Der Mann ohne Vergangenheit die Auszeichnung. Er folgt damit dem letztjährigen Preisträger Majid Majidi, der mit Baran die Situation afghanischer Flüchtlinge im Iran angeprangert hatte. Das Screening fiel unbeabsichtigterweise doch treffend unmittelbar in die Zeit nach dem 11. September.
Eröffnet wird das Festival jedoch ganz traditionsgemäß mit einer deutschen Produktion, dem neuen Film von Hamburgs Regieliebling Fatih Akin, Solino (siehe unten). Akin und Kaurismäki starten in der Filmreihe Gala (goldgelb), aus der auch der neue Film von Atom Egoyan empfohlen sei: Ararat berichtet auf vielen logisch ineinander verschachtelten Handlungsebenen von den Dreharbeiten zu einem Filmepos, in dem der Genozid an den Armeniern in der Türkei 1915 thematisiert wird. Der Film zeigt aber auch die Versuche heutiger Nachkommen, das von den Überlebenden des Massenmordens Verdrängte wieder zu erinnern – und gerät dabei zu einer Auseinandersetzung mit individuellem und kollektivem Gedächtnis überhaupt.
Nunmehr in seinem vierten Jahr, hat sich das Tesafilm Festival fest als Plattform für ungewöhnliche internationale Regiedebüts etabliert. Maria von Heland, die es 1992 als Austauschstudentin von Los Angeles nach Potsdam verschlagen hatte, eröffnet mit ihrem ersten Kinospielfilm Große Mädchen weinen nicht am Mittwoch die Reihe, in der wie jedes Jahr das Publikum durch Stimmzettel den Sieger der Goldenen Tesafilm Rolle ermitteln wird. Für ihren unprätenziösen und realitätsnahen Teenagerfilm führte die Regisseurin Gespräche mit Hunderten von Teenies aus Berlin, um den kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Lebensgeschichten zu finden. Nach den Ergebnissen dieser Interviews gestaltete sie die Geschichte um zwei Freundinnen (Anna Maria Mühe und Karoline Herfurth), deren Freundschaft durch Betrug auf eine harte Probe gestellt wird.
Der mit Preisgeldern der Wirtschaftsbehörde versehene Digi@ward (Stichwort „Stärkung des Medienstandorts Hamburg“) geht in sein zweites Jahr, Premiere hat die Preisvergabe im Bereich TV-Movies Made in Hamburg. Der von Berlin nach Hamburg geholte Flash Award zeichnet kreative Filmemacher aus dem Internet aus. Das Spektrum reicht vom Experimental-Flash über Musicclip bis zum interaktiven Kurzfilm.
Für Fernsehfreunde haben die Organisatoren noch ein weiteres Bonbon parat: Anlässlich des 50. Geburtstages des Nordwestdeutschen Rundfunks (aus dem der NDR hervorging) diesen Dezember zeigt Doku-Regisseur Christian Stöffler teilweise nie gesendetes Material aus der Frühzeit des Senders. Die NWDR-Rolle verspricht ein Wiedersehen unter anderem mit Inge Meysel und Heidi Kabel.
Wie jedes Jahr hat man also die Qual der Wahl – also am besten jetzt schon planen. Karten sind bereits im Vorverkauf erhältlich. Zuletzt: Eine Institution verlässt das Hamburger Filmfest im achten Jahr. Nachdem er 2001 doch noch einer einjährigen Vertragsverlängerung zustimmte, will sich Josef Wutz („Ich möchte auf der Postition des Festival-Leiters nicht vergreisen.“) nun endgültig zurückziehen, um den Weg freizumachen für „junge, kreative Kräfte“.
Der Mann ohne Vergangenheit: Fr, 27.9., 19.30 Uhr, Cinemaxx + Sa, 28.9., 22.30 Uhr, Abaton; Ararat: Mi, 25.9., 19.45 Uhr, Zeise, Sa, 28.9., 17 Uhr Abaton + So, 29.9., 21.30 Uhr, Cinemaxx; Große Mädchen weinen nicht: Di, 19.30 Uhr + So, 29.9., 17.15 Uhr Cinemaxx, NWDR-Rolle: So, 29.9., 17 Uhr, Cinemaxx, weitere Infos und das vollständige Programm: www.filmfesthamburg.de
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