Keine Trendwende im Klimaschutz: Wullf hinterfragt Klimaschutzpaket

Niedersachsens Ministerpräsident Wulff und Gewerkschaftschef Schmoldt wollen das EU-Klimapaket verzögern. Ansonsten drohe eine einseitige Belastung der deutschen Industrie.

Braucht Emissionszertifikate: Kohlekraftwerk in Grevenbroich bei Düsseldorf. Bild: ap

Von einer Trendwende beim Klimaschutz kann noch keine Rede sein. Nach aktuellen Daten des UN-Klimasekretariats (UNFCC) in Bonn sank zwar der Treibhausgasausstoß der Industriestaaten seit 1990 um 5 Prozent und erreicht damit nahezu den Zielwert von 5,2 Prozent. Dieser Effekt sei aber vor allem auf den Zusammenbruch der Industrie im ehemaligen Ostblock zurückzuführen, erklärte das Sekretariat am Montag. Ein Vergleich der Daten von 2000 und 2006 zeigt hingegen einen Anstieg um 2,3 Prozent. "Diese Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit eines großen Fortschritts in Posen", sagte Yvo de Boer, Generalsekretär des UNFCC. In der polnischen Stadt findet Anfang Dezember die nächste Weltklimakonferenz statt, die ein neues Abkommen für weniger Emissionen vorbereiten soll.

Parallel zur Konferenz werden auch die EU-Regierungschefs tagen, um ihr Klimaschutzpaket für die kommenden Jahre zu verabschieden. Es sieht unter anderem vor, dass die Europäische Union ihre CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent senkt und automatisch um 30 Prozent, wenn international ein Nachfolgeregelung für das Kioto-Protokoll gefunden wird. Dazu sollen nach den Plänen der EU unter anderem die Energiekonzerne alle der von ihnen benötigten Verschmutzungsrechte ersteigern. Auch die verarbeitende Industrie soll ihre Zertifikate nicht mehr umsonst bekommen. Über diese und andere Fragen wird aber in der EU noch verhandelt. Die Bundesregierung setzt sich zwar für eine 100-prozentige Auktionierung im Stromsektor ein, will aber einem großen Teil der produzierenden Industrie weiterhin gratis Zertifikate geben.

Und trotz der Klimakonferenz in Posen sollte über diese Fragen erst 2009 entscheiden werden, fordern zumindest Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wullf (CDU) und der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IGBCE), Hubertus Schmoldt. In einem Doppelinterview der Financial Times Deutschland warnten sie vor einer Begünstigung der französischen Energiebranche, wenn die Regelung noch unter der Ratspräsidentschaft der Franzosen beschlossen würde.

Der Hintergrund: Der Anteil des Atomstroms, der ohne CO2-Zertifikate produziert werden kann, liegt in Frankreich bei 85 Prozent. Dies stelle für Energieriesen wie die EDF einen Wettbewerbsvorteil dar, befürchten Schmoldt und Wulff. Und mit den zusätzlichen Einnahmen könnte EDF dann auf Einkaufstour in Europa gehen. Der Zeitung nannte Schmoldt zum Beispiel den Chemiekonzern BASF als Übernahmekandidaten. Möglicherweise werde die tschechische Regierung, die die Präsidentschaft zu Jahresbeginn übernimmt, "mehr Neutralität" in dieser Frage zeigen. Tschechiens Präsident Václav Klaus gilt als Klimaschutzskeptiker.

"Das ist genau die Politik, mit der (US-Präsident George W.) Bush in den USA gescheitert ist", konterte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Während der designierte US-Präsident Barack Obama daran gehe, einen "New Deal" für Arbeit und Umwelt zu schmieden, dröschen Wulff und Schmoldt die Parolen von gestern. "Was sie fordern, schadet der deutschen Industrie, gefährdet Arbeitsplätze und verlängert die Abhängigkeit der Verbraucher von hohen Öl- und Gaspreisen."

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