Keine Milchverknappung: Bauern verlieren im Bundesrat
Die Milchmenge auf dem Markt wird nicht per Gesetz reduziert, so der Bundesrat: Das heisst, Milch wird nicht teurer. Die Bauern reagieren empört.
Die Länder stellen sich im Bundesrat gegen Forderungen der Bauern, die Milchmenge auf dem Markt zu reduzieren und damit die Preise für die Landwirte zu erhöhen. Der Agrarausschuss der Kammer lehnte es am Montag ab, eine Verordnung entsprechend zu ändern. Erfahrungsgemäß folgt das Plenum des Bundesrats den Beschlüssen des Ausschusses. Bauernvertreter warfen den Ländern vor, ihre Versprechen vom Milchgipfel mit Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) im Juli nicht gehalten zu haben.
Konkret stimmten die Ländervertreter in dem Bundesratsausschuss dagegen, den Umrechnungsfaktor zu erhöhen, wie das rheinland-pfälzische Agrarministerium berichtete. Dieser Faktor bestimmt, wie viel Liter Milch die Bauern liefern dürfen, um die Obergrenze (Quote) einzuhalten, die die EU in Kilogramm festlegt. Laut dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) ist der Faktor in Deutschland zu niedrig angesetzt, sodass viele einzelne Bauern mehr Milch liefern als erlaubt.
Würde er auf europäisches Niveau angehoben, würde automatisch weniger Milch produziert. Stattdessen stimmten die Länder dafür, die von der EU beschlossene Quotenerhöhung um 2 Prozent den einzelnen Betrieben zuzuteilen.
Seehofer hatte den Bauern bei dem Milchgipfel in Aussicht gestellt, den Umrechnungsfaktor zu erhöhen. "Alle 16 Bundesländer haben dabeigesessen, und alle haben dieser Sache nicht widersprochen", erinnert sich einer der Teilnehmer, der Vorsitzende des Kleinbauernverbands Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Bei einer anschließenden Pressekonferenz habe Seehofer sogar erklärt, dass die Länder zugestimmt hätten - ohne dass sich Widerspruch geregt habe. Das Verhalten der Länder im Bundesrat bezeichnete der Bauernaktivist deshalb als "Wortbruch".
Auf diesen Einwand erklärte Sprecher Thomas Deines vom baden-württembergischen Agrarministerium, das die Ablehnungsfront anführt: "Wenn Deutschland seine Milchmenge reduziert, liefern die Holländer oder Dänen einfach mehr." Die Einschränkung der Molkereisaldierung vergrößere den bürokratischen Aufwand für die Bauern. Abgesehen davon weist Baden-Württemberg darauf hin, dass die EU die Milchquote 2015 auslaufen lasse. Darauf müssten sich die Bauern schon jetzt einstellen.
Romuald Schaber, Chef des BDM, der Ende Mai, Anfang Juni einen zehntägigen Streik der Bauern organisiert hatte, zeigte sich enttäuscht. "Wir haben jetzt monatelang diskutiert und gequatscht", sagte er. Auf die Frage, ob der BDM jetzt wieder streiken wolle, antwortete er: "Zurzeit steht kein neuer Streik zur Diskussion. Aber es sind über Nacht tausende Betriebe vom Bankrott bedroht."
Derzeit erhielten die Bauern im Schnitt nur 31 bis 32 Cent pro Liter - weniger als die Herstellungskosten. "Wir stehen an derselben Stelle wie Ende Mai." Das Bundesagrarministerium war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“