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Keine Kennzeichen für FuttermittelGentechnik auf dem Teller

Fleisch, Eier, Käse. Zur Erzeugung dieser Lebensmittel werden Tiere oft mit genmanipuliertem Futter ernährt. Der Verbraucher hat keinerlei Möglichkeit, das nachzuvollziehen.

Lecker Schweinefleisch. Darf's etwas mehr sein? Bild: dapd

BERLIN dapd | Nahezu alle Hühner und Schweine in der konventionellen Eier- und Fleischproduktion in Deutschland werden mit gentechnisch verändertem Soja gefüttert. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Umweltschutzorganisation WWF, die am Dienstag in Berlin veröffentlicht wurde.

„Gentechnik landet mit Fleisch, Eiern oder Käse auf unseren Tellern, ohne dass wir es wissen. Lebensmittel von Tieren, die mit gentechnisch verändertem Futtermittel gefüttert werden, müssen nämlich bisher nicht gekennzeichnet werden“, warnte WWF-Referentin Birgit Wilhelm.

Deswegen fordert der WWF, um dem Kunden Wahlfreiheit zu ermöglichen, eine Kennzeichnungspflicht für alle tierischen Produkte - von Fleisch und Wurst bis hin zu Eiernudeln. Wilhelm ist sich sicher, dass eine solche Kennzeichnung die Konsumenten sensibilisieren würde.

Weiterhin sei die jetzige Regelung unsinnig. Während der Anbau von gentechnisch veränderten Sojabohnen zurecht in der gesamten EU untersagt sei, müsse Fleisch aus gentechnisch gefütterten Tieren nicht gekennzeichnet werden. „Europa hat sich klar entschieden: Der Verbraucher will keine Gentechnik“, sagte Wilhelm der Nachrichtenagentur dapd. Überhaupt rät der WWF den Konsumenten, weniger, aber dafür besseres Fleisch zu essen.

Angebot und Nachfrage

Den Fleischwirten schlägt der WWF vor, auf nur geringfügig teureres gentechnikfreies Soja oder auf einheimisches Futter - wie Ackerbohnen oder Erbsen - zurückzugreifen. Die Ausrede, dass gentechnikfreies Soja nicht im ausreichenden Umfang verfügbar sei, ließ Wilhelm nicht gelten, nach der WWF-Studie halte der Weltmarkt die benötigte Menge bereit. „Die Käufer müssen lediglich größere Mengen gentechnikfreie Ware bestellen. Dann werden auch wieder größere Mengen gentechnikfreies Soja angebaut“, sagte Wilhelm.

Angesprochen auf die steigende Fleisch- und Futtermittelnachfrage in den Schwellenländern sagte Wilhelm: „Auch wenn wir im Verhältnis zu anderen aufstrebenden Ländern immer weniger importieren, ist Europa immer noch ein großer Abnehmer - groß genug, um das Anbauverhalten dauerhaft zu beeinflussen. Europa muss vorangehen, irgendwo muss es ja anfangen.“

Es sei ökologisch unverantwortlich, in riesigen Monokulturen Sojabohnen anzubauen, erst recht, wenn diese mittels Gentechnik resistent gegen Totalherbizide seien, erklärte Wilhelm. Totalherbizide sind Unkrautbekämpfungsmittel, die gegen alle grünen Pflanzen wirken. Die Folgen für das Ökosystem seien unübersehbar.

Ausrottung durch Totalherbizide

Wilhelm veranschaulicht die Gefahr anhand des Beispiels von Antibiotika: würden diese zu häufig eingesetzt, mutierten die Bakterien und seien irgendwann nicht mehr kontrollierbar. Hier habe die Menschheit begriffen, dass der inflationäre Einsatz gefährlich sei. Genauso verhalte es sich aber auch mit Pflanzen. Außerdem würden durch Totalherbizide viele regionale Arten unwiederbringlich ausgerottet, wodurch das Ökosystem ebenfalls ins Ungleichgewicht gebracht würde.

WWF-Schätzungen zufolge sind über 80 Prozent der rund 4,5 Millionen Tonnen Soja für den deutschen Markt aus gentechnisch veränderten Bohnen. Sojaöl und -schrot würden aufgrund ihres hohen Eiweißgehalts massenhaft in der Fleischproduktion eingesetzt und dafür vor allem aus den USA, Argentinien und Brasilien importiert.

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6 Kommentare

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  • A
    Ava

    Sehr spannender Artikel! Dass Gentechnik in unser Essen gelangt ist aber nur das eine Problem, der Sojaanbau in Südamerika und den USA bringt auch noch ganz andere Probleme mit sich, wie ich hier gelsen habe http://moreorlesspolitical.com/2012/09/07/sojaanbau-wie-groskonzerne-die-natur-ausbeuten/

  • O
    Ott-one

    WIE Kann MAN IM MOMENT DIE GENTECNIK GUTHEISSEN!!! Es gibt bei allen Lebensmitteln ein Grenzwert, der wird natürlich eingehalten, so wird das mit den Zusatzstoffen in der Nahrungsherstellung gehalten. Davon wird keiner sofort krank oder stirbt gleich.Das alles hat was mit Langzeitwirkung zu tun! So ist es auch bei den gentechnisch veränderten Futtermitteln. Die Nutztiere nehmen es auf und der Endverbraucher konsumiert das Endprodukt Nahrungsmittel. Die Giftstoffe, die der Körper nicht abbaut, summieren sich im Körper, im Schlimmstenfall, werden diese Veränderungen an die nächsten Generationen weitervererbt, die bedanken sich, das nichts gescheites gegen die Genveränderungen unternommen wurden.

    Um fundierte, unabhängige Aussagen machen zu können, wegen der Gentechnik, ob sie ein Glücks-oder Unglücksfall für die Menschheit ist, da müssen noch sehr viele Erfahrungen gesammelt werden. Doch das dauert der Wirtschaft zu lange, der Profit muß sofort fließen, da liegt das Problem.

  • UH
    Udo Henn

    Ist denn schon mal jemand krank geworden vom Verzehr genveraenderter Nahrungsmittel? Soweit mir bekannt ist, nicht. Warum wird denn dann andauernd die Gentechnik verteufelt?

     

    Und die Behauptung, der Verbraucher wolle keine Gentechnik, ist falsch. Wenn sie billiger ist, hat sie auch ihren Markt.

  • FN
    Freiheit nicht zu gewährleisten

    Wie in vielen Artikeln in diversen Formaten zum Thema "Gen-Technik in unserem Essen" häufig übersehen wird, ist nicht der Einfluß des Futters auf das Endprodukt ein Risiko. Dieser besteht nämlich nicht in anderer Art und Weise wie bei nicht GMO-Futtermitteln.

     

    Auch die Forderung nach einer klaren Deklarierung, dass mit GMO-Futtermitteln gefüttert wurde, ist im Prinzip nicht möglich einzuhalten (sofern mit Soja gefüttert wird). Dies ist darauf zurückzuführen, dass der größte Teil des Sojas (GMO sowie davon freie), wie im Artikel erwähnt aus Übersee nach Europa eingeschifft wird. Die hierfür genutzten großen Frachträume der Schiffe werden mit dem Schüttgut beladen und nur, wenn überhaupt, unzureichend von einander getrennt. Somit ist eine Vermischung von vorn herrein gegeben. Und auch wenn nur nicht-GMOs gelagert und transportiert werden, so ist eine Kontamination aus früheren Transportgütern auf Grund praktisch nicht durchführbarer Reinigung der Laderäume und Transportanlagen nicht auszuschließen. Dies ist auch auf Grund des Eingangs erwähnten nicht vorhandenen Einflußes nicht nötig.

     

    Entscheidend für die GMO-Problematik sollten stattdessen zum einen die im Artikel erwähnten Einsätze von sogenannten Roundup Unkrautvernichtern sein(Umweltschaden) aber auch die "Patente auf Leben" die diese Artikel ausserhalb der EU mitsichbringen. Denn das Prekäre an diesen Patenten ist, dass sich die genetischen Veränderungen im Erbgut der Organismen, welche unter Patentschutz stehen, auf natürliche Weise mit dem Erbgut angrenzender, aber auch entfernter Kulturen vermischen. Somit enthalten die bislang freien Kulturen in der nächsten Generation ebenfalls geschützes "Wissen", aus welchem sich zum Einen Ansprüche für die Patenthalter geltend machen lassen und zum anderen einmal entfesselte Fehlschläge nahe zu uneindämmbar werden.

  • E
    emil

    verstehe das problem der produzierenden auch gar nicht. wenn alles prima ist in der produktion und der verfütterung, dann können sie es doch auch auf ihre produkte schreiben oder ist da doch ein haken?

  • I
    Inhaltlich

    soweit richtig, bis au 2 Punkte:

     

    Punkt1:

    Bei anerkannten Ökolandbau- Verbänden wie Demeter oder Naturland, wer dem traut: auch EG- Biosiegel, dürfen keine Gentech- Futtermittel verwendet werden- also ist dort sehr wohl eine Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher gegeben.

     

    Nur halt nicht beim Billigfleisch im Supermarkt oder in der Dönerbude.

     

    Punkt2:

    Der WWF ist leider seit geraumer Zeit deutlich mehr an regelmäßigen Einnahmen für sich als an seriöser Arbeit und Unabhängigkeit interessiert, was sich nicht nur an gemeinsamen Anzeigenkampagnen und Messeständen mit der Industrie, sondern auch am Zurückweichen bei den Sponsoren unliebsamen Themen zeigt.

    Also in der Regel ein deutlich schlechterer Ansprechpartner als Greenpeace, Foodwatch, NABU, BUND, wenn es um von der Industrie unabhängige Einschätzungen geht.