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Keine IGeL-Verkaufsseminare mehrEher schädlich denn nützlich

Nach heftiger Kritik stellt die Bundesregierung die Förderung von IGeL-Verkaufsseminaren für Ärzte ein. Die Vermarktung sei mit den ethischen Grundsätzen des Ärzteberufes nicht vereinbar.

Ist diese Spritze wirklich nötig? Bild: ap

BERLIN afp | Nach heftiger Kritik stellt die Regierung die Förderung von Seminaren ein, in denen Ärzte im Verkauf umstrittener individueller Gesundheitsleistungen (IGeL) an Patienten geschult werden.

Eine „aktiv betriebene Vermarktung“ dieser Leistungen sei mit den ethischen Grundsätzen des Ärzteberufs nicht vereinbar, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium am Samstag in Berlin. Die Förderrichtlinien würden daher „kurzfristig angepasst“.

IGe-Leistungen müssen von Kassenpatienten selbst bezahlt werden. Die gesetzlichen Kassen stufen die meisten dieser Leistungen als eher schädlich denn nützlich ein. Häufige Leistungen sind das Glaukom-Screening auf Grünen Star und der vaginale Ultraschall auf Eierstock- und Gebärmutterkrebs.

Das dem Wirtschaftsministerium unterstehende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fördert Verkaufsseminare für Ärzte mit bis zu 3.000 Euro pro Beratung. Als Ende Juli bekannt wurde, dass auch das Marketing von IGe-Leistungen dazugehörte, stieß dies auf breite Kritik. Unverständnis äußerten Gesundheitsexperten, Politiker der Opposition, aber auch der Koalition.

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2 Kommentare

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  • B
    Branko

    Ach, welch bahnbrechende Erkenntnis schleicht sich da ein, daß die achso segensreichen Mechanismen der freien Marktwirtschaft in einem System, das gar nicht für den Betrieb der freien Marktwirtschaft gedacht ist, weil es zwar möglichst effizient und vor allem kostensparend (was nicht?) aber eben nicht gewinnorientiert arbeiten soll, zu kontraproduktiven Ergebnissen führen kann.

     

    Die Patienten haben das zumindest unterschwellig schon seit Jahren geahnt, wenn sie sich bei einem zweiten oder gar dritten Arzt eine weitere Meinung einholen gingen, ob die empfohlenen Behandlungen denn so sinnvoll seien - und nicht selten festgestellt haben, daß ihr Arzt lediglich mit der Abrechnung zusätzlicher Leistungen das eigene Budget aufbessern wollte.

     

    Nun werden - pardon - sollen (da kommt sicher noch ein Protestaufschrei der FDP) - diese Abzockeschulungen zwar nicht mehr staatlich subventioniert.

    Aber damit hört das Ganze ja nicht auf.

    Da der Patient, wenn er nicht gerade selbst Mediziner ist, selbst weiterhin weder die Notwendigkeit noch den Sinn von medizinischen Leistungen beurteilen kann, wird er weiterhin seinem Arzt vertauen müssen.

    Und diese - nicht Alle, aber auch nicht Wenige -werden weiterhin versuchen, ihren Patienten die Kolbenrückholfeder für ihren Motor zu verkaufen.

    Ob diese Marketingschulungen dazu nun staatlich subventioniert werden oder nicht, bremst das System der Ausbeutung des Vertrauens letzlich aber nur gering.

     

    Bin mal gespannt, wie lang die Erkenntnis braucht, daß derartige Korrekturvorschläge nicht von Kommunisten, sondern einfach nur von Leuten mit gesundem Menschenverstand stammen, die lediglich ein bezahlbares und funktionierendes Gesundheitssystem für alle Bürger in einem der reichsten Länder der Welt aufrecht erhalten wollen, und daß die 'Segnungen der freien Marktwirtschaft' auch in anderen Systemen für die Mehrheit der Bürger (dem Staat) kontraproduktive Ergebnisse liefert, weil privatwirtschaftlich gewirtschaftet wird, ohne daß die Vorraussetzungen für einen freien Markt gegeben sind.

  • J
    Jaheira

    Was lernen denn Ärzte im Verkaufsseminar, jetzt wo IGeL-Leistungen angeblich (offiziell) vom Lehrplan gestrichen sind? Wie man den Maximal-Satz bei der PKV abrechnet? Bodylotion zu verkaufen? Dentalbürstchen?

    Ich wüsste gerne von der Bundesregierung wie Verkaufsseminare für Ärzte überhaupt mit Vertrauenswürdigkeit vereinbar sind.