: Keine Einkehr mehr auf dem Land
Wird das Dorfgasthaus in Brandenburg zum Auslaufmodell? Was der Leerstand mit dem Lebensstil zu tun hat – und laut Branche auch mit dem Verkehr
Die Zahl der gastronomischen Betriebe in Brandenburg ging von 2010 bis 2023 von 4.101 auf 3.697 zurück, das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion hervor. Besonders stark ist der Rückgang im Bereich der Schankwirtschaften, zu denen etwa Kneipen gehören: Hier gab es ein Minus von 32 Prozent. Bei den Selbstbedienungsangeboten gab es dagegen ein Plus.
Die CDU im Landtag in Potsdam äußert sich besorgt: „Gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet, müssen diese Orte der Begegnung und des Zusammenhalts unbedingt erhalten bleiben.“
„Man braucht diese öffentlichen Wohnzimmer, das ist ein Stück Lebenskultur“, sagt auch der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), Olaf Lücke. Aber die Trink- und Verzehrgewohnheiten hätten sich insgesamt geändert. Früher seien Probleme am Stammtisch besprochen worden, heute werde der Grill zu Hause angeworfen.
Viele junge Leute gingen nicht mehr ins Gasthaus, weil sie teils andere gastronomische Angebote und Abwechslung auf der Speisekarte wollten. Es werde eben nicht mehr jede Woche der „Schweinebraten“ bestellt, meint Lücke. Zudem mache sich der Rückgang der Bevölkerung auf dem Land bemerkbar. Lücke nennt aber auch „schlechte Bahn- und Busverbindungen“ als einen Grund dafür, dass weniger Gäste am Dorfgasthof vorbeikämen.
Zudem belasten nach Angaben der Branchenverbände hohe Energie- und Personalkosten die Gastronomie. Wo früher Hochzeiten, Vereinsfeste oder Dorftreffen stattfanden, bleibt heute der große Raum schon mal dunkel. Mancher Landgasthof mache seinen Saal nicht mehr auf, weil es zu teuer sei, ihn zu heizen, meinte Lücke.
Der Dehoga will sich mit der Lage der Gaststätten auf dem Land befassen und auch nach Alternativen in der Gastronomie suchen. Lücke spricht von „Multifunktionsangeboten“. Gastronomen könnten etwa einen kleinen Laden oder Versandshop mitbetreiben.
Olaf Lücke, Hotel- und Gaststättenverband
Kann die Mehrwertsteuersenkung künftig eine Entlastung in der Branche bringen? Die Bundesregierung senkt die Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar 2026 dauerhaft von 19 auf 7 Prozent. Ein Steuergeschenk sei das nicht, sondern nur gerecht, so Lücke, der auch auf die Lohnsteigerungen im kommenden Jahr verweist. Zudem gilt für Gerichte, die geliefert werden, schon bisher der 7-Prozent-Satz, sowie auch für Imbisse ohne Sitzplätze.
Gastwirte und Hoteliers in Deutschland hatten im Mai kalender- und saisonbereinigt 2,2 Prozent weniger Erlöse in ihren Kassen als im Monat zuvor, wie das Statistische Bundesamt im Juli berichtete. Abzüglich der Preiserhöhungen ergibt sich sogar ein realer Umsatzverlust von 4,6 Prozent. (dpa)
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