Orbáns NGO-Gesetz: EU-Abgeordnete wollen Ungarn die Mittel streichen
Ein neues Gesetz in Ungarn bedroht international finanzierte NGOs. Im EU-Parlament regt sich fraktionsübergreifend Widerstand dagegen.

Nach anfänglicher Schockstarre wächst nun der Druck auf die ungarische Regierung. Die will mit einem neuen Vorstoß international finanzierte NGOs und Medien stärker an die Kandare nehmen. Das Europäische Parlament setzte für Mittwoch eine Dringlichkeitsdebatte über den umstrittenen Gesetzesentwurf an. In einem fraktionsübergreifenden Brief verlangen Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne, Ungarn endgültig den Geldhahn zuzudrehen.
Das geplante Gesetz „zur Transparenz im öffentlichen Leben“ würde der Regierung ermöglichen, ausländisch finanzierte Medien und NGOs auf eine schwarze Liste zu setzen und sie von Geldflüssen abzuschneiden. „Bei allen Fraktionen außer den rechten Gruppen herrscht tiefe Besorgnis über den kontinuierlichen Abbau der Rechtsstaatlichkeit“, sagte Tineke Strik, Ungarn-Berichterstatterin im Europäischen Parlament. Der Gesetzesentwurf könne der letzte Schritt hin zum Zusammenbruch der ungarischen Zivilgesellschaft sein.
„Wer sich null um die Achtung der EU-Werte kümmert, hat null Euro aus dem EU-Budget verdient“, sagte der FDP-Europapolitiker Moritz Körner bereits im Vorfeld der Debatte. Auch der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund betonte, „im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften die finanziellen Interessen der EU und damit der europäischen Steuerzahler“ schützen zu wollen.
Wegen verbreiteter Korruption und rechtsstaatlichen Mängeln hat die EU Ungarn bereits in den letzten Jahren Milliardengelder vorenthalten. Die Sanktionen haben bisher aber nicht gewirkt, im Gegenteil: Zuletzt verschärfte Orbán seinen illiberalen und europafeindlichen Kurs. Mitte März etwa erließ seine Regierung ein Gesetz, das die alljährliche Budapester Pride-Parade und ähnliche Veranstaltungen verbietet.
Ungarisches Parlament debattiert Gesetz
Das umstrittene neue NGO-Gesetz wurde unterdessen auch im ungarischen Parlament hitzig debattiert. Mehrere Oppositionsredner verglichen das Gesetz mit Russlands Agentengesetz und nannten es „faschistisch“. „Auch dieses Gesetz wird Sie nicht retten“, sagte Klára Dobrev, Abgeordnete der „Demokratischen Koalition“ Richtung Orbán, der ein Jahr vor der Parlamentswahl zunehmend unter Druck gerät.
Moritz Körner (FDP)
Tausende protestierten bereits am Sonntag in Budapest gegen das geplante Gesetz. Kritik kam zuletzt auch vom ungarischen Richterverband und der Anwaltskammer. Zudem unterschrieben 85 Chefredakteure europäischer Medien eine gemeinsame Petition, die das Gesetz als Angriff auf die Pressefreiheit verurteilt. Die Europäische Kommission will den Gesetzentwurf erst nach seiner Verabschiedung prüfen.
Am Dienstag beschloss das ungarische Parlament zudem den Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof. Der Schritt war erwartet worden: Orbán hatte das Gericht als „politisch motiviert“ bezeichnet und den Haftbefehl gegen den israelischen Premier Benjamin Netanjahu kritisiert, dem Kriegsverbrechen in Gaza vorgeworfen werden. Ihn hatte die Regierung zuletzt in Budapest hofiert, obwohl sie ihn nach Den Haag hätte ausliefern müssen.
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