Keine Arbeitserlaubnis für Kameruner Spezialistin: Die gefragte Expertin, die kaltgestellt wird

Eigentlich sollte Carole C. ihre Stelle bei BASF im Sommer antreten. Doch die Behörden verweigern bis heute die Arbeitserlaubnis. Jetzt sitzt sie in der kalten Wohnung, weil ihr das Geld ausgeht.

Durch die Straße in Reinickendorf weht ein eisiger Wind. In dicken Puschen öffnet Carole C. ihre Haustür im vierten Stock des grauen Mietshauses. Ein kleines Mädchen mit roten Blumenspangen im krausen Haar lugt schüchtern zwischen ihren Beinen hervor. Seit fünf Monaten wohnen die Kamerunerin und ihre Tochter in der Dreizimmerwohnung. Doch bis auf ein dunkel gemustertes Ecksofa, eine zu kurze Gardinenstange und ein Bett sind die Räume leer. "Ich habe einfach kein Geld für Möbel", sagt die 30-Jährige und reibt sich mit den Händen die großen dunklen Augen. "Dabei sollte ich doch eigentlich längst arbeiten."

Im Juni hat die junge Frau einen Arbeitsvertrag bei der internationalen Finanzzentrale der BASF in Berlin unterschrieben. "Ich soll als Buchhalterin für Frankreich arbeiten", sagt sie. Mit drei Taschen und ihrer zweijährigen Tochter zog sie von Lyon nach Berlin. Kinderbett, Kleiderschrank und Spielzeug wollte sie von ihrem ersten Gehalt kaufen. Doch die Ausländerbehörde lehnte ihren Antrag auf Aufnahme einer Beschäftigung ab.

Seitdem sitzt die junge Mutter in ihrer Wohnung und wartet, dass etwas passiert. Ihre Ersparnisse sind längst aufgebraucht für eine Warmmiete von 580 Euro im Monat und die nötigsten Lebensmittel. Geheizt wird nur ein einziger Raum. Und auch der ist kalt. Krankenversichert sind weder Mutter noch Tochter. Doch Carole C. will die Hoffnung nicht aufgeben. "Die BASF hält mir doch immer noch die Stelle frei", sagt sie. Das bestätigt eine Sprecherin des Unternehmens aus Ludwigshafen. "Jemanden mit den sprachlichen und fachlichen Kenntnissen, wie sie Frau C. mitbringt, haben wir seit Juli nicht wieder gefunden."

Offiziell informiert wurde Carole C. über die Ablehnung bis heute nicht. Angeblich hat die deutsche Botschaft in Paris, bei der sie den Antrag auf Beschäftigungserlaubnis am 15. Juni gestellt hatte, längst einen Bescheid rausgeschickt. Doch alles, was C. bisher erhalten hat, seien telefonische Auskünfte der Behörden, sagt sie.

Auf Nachfrage der taz erklärt eine Sprecherin der Ausländerbehörde, dass der Antrag zur Prüfung an die Bundesagentur für Arbeit weitergeleitet worden sei. Dort heißt es zu dem Fall der jungen Kamerunerin: "Die Arbeitsmarktprüfung ergab, dass Frau C. vermeintlich keinen akademischen Abschluss besitzt." Das vorgelegte "Diplom" belege lediglich die bestandenen Zulassungen für ein Hochschulstudium der Finanzen. Carole C. hingegen sagt, das Diplom der Académie de Lyon entspreche dem deutschen Bachelor-Abschluss. Aber ob mit oder ohne Hochschulabschluss, Fakt bleibt: Die BASF kann die Stelle seit einem halben Jahr nicht anders besetzen. Und Carole C. will arbeiten, darf aber nicht.

Die migrations- und integrationspolitische Sprecherin der Grünen, Bilkay Öney, die sich auf Bitte von Carole C. in den Fall eingeschaltet hat, glaubt mittlerweile, dass sich "die Bundesagentur weigert, den Beschluss der Bundesregierung zur Erleichterung für ausländische Fachkräfte umzusetzen". Sie rechnet in den kommenden Jahren sogar mit einer Abschaffung der Fachkräftereglung. "Infolge der Finanzkrise werden die Verteilungskämpfe um Arbeit zunehmen, immer mehr Menschen um Jobs konkurrieren."

Unverständlich bleibt der Fall auch für Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat Berlin. "Es ist doch abstrus, dass eine Stelle ein halbes Jahr lang frei bleibt, weil die Behörden ihre Genehmigung verweigern", sagt er. Jochen Schwarz von "Oase Pankow e. V." nimmt den Fall gar zum Anlass, auf einen "Missstand" im Gesetz hinzuweisen. "Stellt ein Ausländer einen Antrag auf Arbeitserlaubnis, führt die Behörde eine Arbeitsmarktprüfung durch", erklärt er. Dabei werde untersucht, ob der Job nicht genauso gut von einem Deutschen oder einem EU-Staatler gemacht werden kann. Wenn ja, wird die Arbeitserlaubnis verweigert. "Das ist doch eine totale Diskriminierung", sagt Schwarz.

Zahlen zu beantragten und erteilten Arbeitserlaubnissen kann weder die Berliner Ausländerbehörde noch das Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg vorweisen. "Die Nachfrage in unserem Haus hat ergeben, dass keine Statistiken über die Erteilung von Arbeitserlaubnissen geführt werden", erklärt eine Sprecherin der Ausländerbehörde.Und auch große internationale Unternehmen in Berlin müssen auf die Frage nach der Anzahl ausländischer Mitarbeiter passen. Die Bayer Schering AG beschäftigt in Berlin mehr als 4.750 Mitarbeiter, die Siemens AG rund 12.500. Die Nationalität der Arbeitnehmer werde von der Personalabteilung nicht gesondert erfasst, erklären die jeweiligen Unternehmenssprecherinnen. Probleme mit der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Mitarbeiter aus dem Ausland seien ihnen ebenfalls nicht bekannt. Und auch das weltweit führende Chemie-Unternehmen BASF habe grundsätzlich keine Probleme bei der Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter, sagt eine Sprecherin. "Da ist der Fall von Frau C. eine Ausnahme."

Was in dem Fall der jungen Kamerunerin schiefgelaufen ist, kann auch Bettina Schoenau vom Business Immigration Service nicht sagten. Die Einrichtung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin ist seit März 2007 Ansprechpartner für in- und ausländische Unternehmen, sorgt für eine unkomplizierte und zeitnahe Erteilung der nötigen Aufenthaltstitel. Das A und O bei der Beantragung einer Beschäftigungserlaubnis seien vollständige Unterlagen, sagt Leiterin Bettina Schoenau. "Sind die komplett, gibt es eher selten Probleme." Sie rät Carole C., sich ihren Hochschulabschluss anerkennen zu lassen und der Arbeitsagentur eine genaue Stellenbeschreibung zu schicken.

Viel Zeit für Behördengänge bleibt Carole C. allerdings nicht. Die 30-Jährige ist am Ende ihrer Kräfte. Psychisch. Physisch. Und finanziell. "Ich kann nachts nicht mehr schlafen", sagt sie unter Tränen. "Ich habe Angst, dass meine Tochter krank wird." Keinen Wunsch könne sie der Zweijährigen erfüllen. Nicht mal ein Weihnachtsgeschenk kaufen. Noch einige Wochen will die 30-Jährige warten. Versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen. "Dann muss ich zurück nach Frankreich." Findet sie dort keinen Job, muss sie heimkehren zu ihrer Familie nach Kamerun. "Das, was ich nie wollte."

Zwei Jahre hat Carole C. nach ihrem Abitur in Aachen Betriebswirtschaftslehre studiert. Deutschland in dieser Zeit lieben gelernt. Wenn sie jetzt gehen muss, tue sie es mit Groll. "Die deutschen Behörden wollen einfach keine Ausländer", sagt sie. "Und schon gar keine Schwarzen."

Fürs Foto kommen Carole C. und ihre Tochter mit runter auf die Straße. Der Wind zerrt an Haaren und Kleidung. "Das ist wie ein Alptraum", sagt die junge Frau. "Dabei war ich doch so voller …" Bevor sie zu Ende sprechen kann, erfüllt das Dröhnen des Flughafens Tegel die Luft. Noch einmal setzt sie junge Frau an. "So voller Hoffnung."

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