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Keine Ankündigung des AmoklaufsPolizei räumt Ermittlungspanne ein

Die Polizei hat eingestanden, dass auf dem Computer des Amokläufers keine Ankündigung des Blutbades von Winnenden gefunden wurde.

Noch haben dei Ermittlungsbehörden keine Antwort auf die Frage "Warum?" Bild: ap

WAIBLINGEN dpa/taz Zwei Tage nach dem Amoklauf von Winnenden muss die Polizei eine schwere Ermittlungspanne zugeben. Auf dem Computer des Täters haben die Ermittler nun doch keinen Hinweis auf eine Ankündigung des Blutbads mit 16 Toten gefunden. Wie es zu der anderslautenden Aussage von Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) am Donnerstag gekommen sei, sei derzeit unklar, sagte der Pressesprecher der Polizeidirektion Waiblingen, Nikolaus Brenner, am Freitagmorgen. "Eventuell war das ein Übermittlungsfehler."

Innenminister Rech sagte der Süddeutschen Zeitung: "Irgendein Verrückter hat wohl eine schlimme Falschmeldung in die Welt gesetzt." Der Eintrag "muss wohl im Nachhinein konstruiert worden sein". Rech wies Kritik zurück, die Ermittlungsbehörden hätten sich zu früh auf die Echtheit des Eintrages festgelegt: "Ich habe stets deutlich gemacht, dass es sich um den vorläufigen Stand der Ermittlungen handelt. Es muss nun geklärt werden, wie der Vater eines 17-Jährigen behaupten konnte, er habe den Eintrag vor der Tat gesehen."

Zweifel an der Echtheit des Eintrages in dem Chatforum gab es schon Donnerstagnachmittag. Auch auf der Homepage des Chat-Servers Krautchan.net wurde mitgeteilt, dass es ein solchen Eintrag nie gegeben habe.

Nach Angaben des Polizeisprechers wollen jedoch zwei Jugendliche schon vor der Tat am Mittwochmorgen den Eintrag im Internet gesehen haben: einer aus Bayern, der darüber seinen Vater informierte, den Eintrag aber nicht ernst nahm, und einer "aus Mitteldeutschland". Die Polizei will die Zeugen heute vernehmen. "Derzeit kann ich weder bestätigen, dass der Eintrag in einem Internet-Chat gefälscht ist, noch dass er echt ist", sagte Brenner.

Der Chat-Eintrag schien eine deutliche Erklärung für die unglaubliche Tat zu liefern: "Ich meine es ernst, Bernd - ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen." Weiter hieß es: "Merkt Euch nur den Namen des Orts: Winnenden." Rech hatte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag erklärt, der Eintrag stamme zweifelsfrei vom Amokläufer Tim K.

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9 Kommentare

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  • A
    Andrea

    Schuld - irgendeiner muss SCHULD haben - so ist der Mensch, vor allen nach solchen Gewalttaten konzipiert.

    Weit weg sollte sie sein - unfassbar für den einzelnen - da ist eine Ankündigung in einem Chatroom oder der Verweis auf Counterstrike genau das, was hilft....

    das mit der Ankündigung platzte wie eine Seifenblase - und ob die bösen, Gewaltbereitschaft-fördernden PC-Spiele noch einmal als Opium für die Massen taugen?

     

    Ich hoffe nicht!

     

    Ich kann den Herrn Schäuble nicht gut leiden, aber aus seinem Mund habe ich gestern gehört, es sei an der Zeit, zu schauen, was Kinder zu solchen brutalen Gewalttätern mache, anstatt reflexartig wieder einmal die Verschärfung des Waffenrechts zu fordern.

    Ich wünsche ihm, und allen die "schauen" werden, dass sie den Mut haben, das "sich -nicht-gesehen-fühlen" dieser Kinder zu sehen - "Schrei nach Liebe" von den "Ärzten" - aktueller denn je! :-((

  • M
    Michael

    Es ist geradezu eine Verhöhnung der Opfer, wie jetzt der Amoklauf von Winnenden von einigen politischen Wirrköpfen mißbraucht wird. In dem sie scheinbar Lösungen anbieten, die keine sind, nur um sich zu profilieren. Fakten spielen dabei keine Rolle, bzw. werden bewusst unterschlagen. Deutschland hat eines der strengsten Waffengesetze die es gibt. Seit den siebziger Jahren wird in steter Regelmäßigkeit das Waffenrecht verschärft, mit der Erkenntnis heute, dass Gesetze eben keine Straftaten verhindern. In England wurde vor rund zehn Jahren der private Besitzt von Pistolen und Revolvern verboten und die bis dahin legal besessenen Waffen eingezogen. Mit dem Ergebnis, dass seither sich die Kriminalitätsrate bei Gewalttaten verdoppelt hat. Fakt ist auch, dass es in DE rund 45 Millionen Schusswaffen in Privathänden gibt. Davon sind weniger als 10 Millionen sogenannte Legalwaffen, also Waffen die Sportschützen und Jäger behördlich genehmigt besitzen. Die restlichen rund 35 Millionen Schusswaffen werden illegal besessen und sind bisher schon verboten. Eine Verschärfung des Waffenrechts oder ein generelles Waffenverbot würde also nur rund ein viertel des Waffenbesitzes treffen. Leute die illegal Waffen besitzen halten sich nämlich nicht an Waffengesetze und so wären weiterhin 35 Millionen Schusswaffen im Umlauf, mit der steigenden Tendenz. Mit der Forderung nach einem Waffenverbot wird den Bürgern doch nichts anderes als eine trügerische, ja gefährliche Sicherheit vorgegauckelt, was in Wirklichkeit aber nur hohler Aktionismus ist.

  • S
    Sunny

    Schon bei de ersten Meldungen us Winnenden hab ick zu men Fru jesacht, Fru, hab ick jesacht, Fru, der hat bestimmt och son Kompjuter bei sich im Jugendzimmer stehen.

     

    Un was nu? Genau wie ick jesacht hab.

  • P
    Peter

    Ich bin ja nun wirklich alles andere als ein CDU-Sympathisant, aber den Rücktritt eines Innenministers zu fordern, weil er wegen der angeblichen Internet-Drohung von der Polizei nicht richtig informiert wurde, halte ich doch für stark übertrieben.

    Was ich an dem gesamten "Geschehen" nicht ganz nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass 4.600 Schuss Munition in einem Privathaushalt gelagert haben.

  • DP
    David Perteck, ödp Hamburg - Die grüne Alternative

    Schusswaffen gehören prinzipiell nicht in die Hände von Privatpersonen. Deshalb müssen die Waffengesetzt geändert werden. Die sozialen und persönlichen Verhältnisse werden immer wieder Amokläufer hervorbringen. Aber der gewöhnliche Waffenschein erhöht das Risiko enorm. Leider handeln Politik und Medien oftmals unter dem Einfluss von Wirtschaftslobby und Waffenindustrie. Dies begünstigt offensichtlich Kriege, Gewaltverbrechen und nicht zuletzt Amokläufe. Die Aussagen etablierter Politiker halte ich oftmals für sehr scheinheilig, wenn ihre Parteien zugleich Spenden von der Waffenindustrie empfangen, ähnlich wie beim Thema Alkohol- und Tabakmissbrauch unter Jugendlichen. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Dennoch wäre ein politisches Umdenken auf allen Ebenen erforderlich, um Amokläufen in Zukunft vorzubeugen. Dazu gehört, neben einer wirksamen Verschärfung der Waffengesetzte, insbesondere eine bessere Weiterbildung der Lehrer.

  • B
    Benno

    Innenminister Heribert Rech (CDU) sollte ungehend von allen Ätern zurücktreten.

  • W
    Wahrheitsprüfer

    Es hätte doch so gut ins Bild gepasst. Journalisten sollten nicht alles glauben, was ihnen vorgesetzt wird. Journalisten müssen fragen, fragen, fragen, fragen, fragen, fragen und zum Schluss die Antwort präsentieren. Alles andere ist dem König den Fuß zu küssen.

  • M
    Mathias

    Da war wohl auch der Wunsch Vater des Gedankens. Der Computer, das unbekante Wesen (zumindest für viele Politiker) muss ja irgendwas mit dem Geschehen zu tun haben. Die so genannte Killerspieldebatte hat erwartungsgemäß begonnen, vieleicht stellt sich am Ende heraus, dass der Täter doch kein counterstrike gespielt hat.

     

    Klischees sind bequem.

  • BB
    Ben B.

    Ich finde es immer wieder amüsant, dass es anscheinend bei all jenen die "die Games und ihre Faszination" wohl nicht "verstehen" anscheinend eine unumstößliche und feststehende Tatsache ist, dass Counterstrike, oder sonst irgendeines der einschlägigen Spiele, zu Zocken eine "höchst seltsame" oder nichtsnutzige Tätigkeit ist. Wenn man mal davon ausgeht das die meisten Leute die viel Zeit sinnlos Verdaddeln dies tun weil es ihnen spass macht (...und nicht weil sie Suchtdruck haben), dann ist das für mich sinnvoll genutzte Zeit. Andere Leute sortieren Briefmarken in Alben ein und ziehen daraus genau den sinnvollen Nutzen den andere aus Computerspielen ziehen. Eine Tabuisierung der Behauptung Computerspiele wären schuld an den Amokläufen konnte ich bisher nicht feststellen wo doch jedesmal von sämtlichen Pressevertretern sofort als erstes gefragt wird ob der Amokläufer "Killerspiele" gespielt hat. Ich finde eher die Frage interressant was einen jungen Menschen dazu bringen kann so frustriert zu sein, dass für ihn kein Menschenleben (noch nicht mal sein eigenes) mehr irgendetwas wert ist. Wenn sich jemand so eingeengt und wertlos vorkommt das er meint Amoklaufen zu müßen, dann müssen da doch wohl vorher schon einige Sachen falsch gelaufen sein (Neolieberalismus?). Die Computerspiele sind das im Moment halt das neuste Medium und wie immer tun sich Leute für die dieses Medium neu und noch nicht alltäglich ist schwer die Milchmädchenrechnung "Früher keine Computerspiele und früher auch keine Amokläufe; ALSO Computerspiele=Teufelszeug".Bei solchen Diskussionen anzufangen irgendwelche Studien anzuführen ist wohl das deutlichste Anzeichen dafür, das jemand schon eine Meinung, aber keine Argumente hat. Lange Rede, gar kein Sinn... trotzdem noch n Schlusswort: Wer die Grenze zwischen Virtuell und Real nicht unterscheiden kann dem wäre wohl auch ohne Counterstrike kaum geholfen.