: Kein fetter Elvis
Erst gehemmt, dann virtuos: Tim Fischer sang in der „Glocke“ seine Lieblingslieder
Der Mann hat Sorgen: „Und wenn ich werde“, schmettert Tim Fischer angstzerfressen ins Publikum, „wie der fette Elvis / werdet Ihr dann noch zu mir stehen?“ Dabei schlängeln sich die langen, spindeldürren Ärmchen des Chansonniers durch die Luft, die blanke Hühnerbrust blitzt höhnisch, und übers schmale, fett geschminkte Fischer-Face huscht ein Grienen. Er weiß, dass er kein fetter Elvis werden wird. Und dass er – auch noch mit 30 Jahren – eine Stimme hat wie ein junger Gott.
Das neue Programm, das der gebürtige Delmenhorster in der Bremer „Glocke“ präsentierte, heißt „Yesterday once more“ – eine Art „best-of“ der mittlerweile 13 Tourneejahre des ewig jungenhaften Verwandlungskünstlers. Allen seinen Säulenheiligen erwies Fischer die Reverenz: von Cora Frost über Bert Brecht und Georg Kreisler bis zu Ludwig Hirsch, dessen „Komm, großer schwarzer Vogel“ er hinreißend todestrunken interpretierte.
Allerdings zeigte die Jung-Diva in ihrer alten Heimat zunächst eine rätselhafte Ladehemmung: Kreislers „Tigerfest“ etwa hat Fischer schon bedeutend böser, gemeiner, fieser gefeiert. Und auch das „Rohr“, nach dem er greift, die „trübe Flüssigkeit“, die er so begehrt – also: das gute, alte Aspirin – hat er andernorts lasziver und geiler besungen. Ganz in Schwarz und mit blond-langmähniger Perücke nudelte Fischer sein Pensum herunter – hoch professionell, aber nicht mit der Authentizität und Präsenz, deretwegen die Fangemeinde seit Jahren konstant gewachsen ist.
Erst nach der Pause – Fischer und seine sechsköpfige Band waren mittlerweile in blütenreines Weiß gehüllt – wurde alles gut. Fischer spielte lustvoll-virtuos auf der Klaviatur seiner Zwischentöne, zwischen Hure und Heiliger, Hausmütterchen und Rumpelstilzchen, Zyniker und Melancholiker. Auch nach so vielen Jahren noch ein Genuss: die rotzig-trotzige Hymne von der „Rinnsteinprinzessin“ und die Verhohnepiepelung der „Capri-Fischer“, bei der Fischer sein komödiantisches Talent gierig auslebt.
In der Band bestachen vor allem der Geiger Hans Jehle, der es mit Fischer an clownesker Galanterie gut aufnehmen kann, und Gert Thumser am Piano. Einmal stehen Fischer, der dürre Hering, und Thumser, ein satter Mops, händchenhaltend nebeneinander. Und schmettern in trauter Hassliebe ein reizendes Duett: „Es ist wirklich wahr / Wir zwei sind ein Paar.“ Das ist wahnwitzig komisch und authentisch zugleich. Am Ende Jubel und stehende Ovationen. Bremen im Fischerglück. Markus Jox