Kein Sommermärchen in Österreich: Hier ist nicht Hollywood
Österreichs Fans leiden. Österreichs Wirte leiden noch mehr. Und Österreichs Fußballer könnten alle wieder glücklich zu machen. Sie brauchen dazu nur ein paar Wiener Wunder.
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WIEN taz Ein 16er-Blech ist in Wien eine Büchse Ottakringer Bier. Es wird im 16. Gemeindebezirk gebraut, in Ottakring, einem Arbeiter-und-Zuwanderer-Bezirk außerhalb des inneren Rings. Ottakringer ist nicht wirklich ein In-Bier, dennoch könnte es sein, dass ein österreichischer Fußballnationalspieler künftig häufiger dieses Gebräu trinkt. Die Brauerei hat jedem Torschützen Bier auf Lebenszeit versprochen, und man weiß nicht so recht, ob sie damit eine Torflut gegen Polen verhindern will oder ob Andreas Ivanschitz und Ümit Korkmaz jetzt alles daransetzen, auf ewig 16er-Bleche im Kühlschrank zu haben.
Gegen Polen soll auf jeden Fall alles besser werden. Die Niederlage gegen Kroatien gilt als höchst unglücklich und ein wenig ungerecht. Das Schicksal kann sich doch nicht auf ewig gegen die Österreicher verschworen haben, wird angeführt, außerdem sei das Team von Josef Hickersberger dank des englischen Fitnesstrainers Roger Spry topfit und könnte leichtathletische Rekorde aufstellen.
"Ich gehe davon aus, dass wir gewinnen", sagt Teamchef Andreas Herzog im Trainingslager Stegersbach. "Wir wissen um unsere Stärken", etwa um das Können von Schlüsselspieler Andreas Ivanschitz. In der polnischen Presse kommt der freilich schlechter weg. Er sei extrem überschätzt, heißt es. Ivanschitz sagt: "Des is an Anheizen der Polen, ein Runtermachen unsres Teams." Gegen die DFB-Auswahl habe diese Herangehensweise ja auch nichts gebracht. "Es wird aber schwieriger als gegen die Kroaten, denn die Polen werden frischer sein", sagt Herzog.
Trainer Hickersberger ist mal wieder ziemlich geheimniskrämerisch, was seine Aufstellung angeht. Er wird wohl von Dreier- auf Viererkette umstellen, im Mittelfeld eine Raute auf die Taktiktafel zeichnen, und es gilt als nicht unwahrscheinlich, dass er bis zu fünf neue Spieler in die Startelf einbaut. Fast sicher ist, dass der junge Rapidler Korkmaz von Anfang an spielt; Stürmer Linz bekommt womöglich keine zweite Chance.
"Wir werden gegen Polen weder hinten dicht machen, noch nach vorne Hollywood spielen", kündigt Hickersberger an. Polen erwartet die Österreicher indes sehr defensiv. Wie dem auch sei, Österreich ist unter Zugzwang. Spielen sie unentschieden, sind sie raus. Das wäre für die Fans bedauerlich. Für die Wirte mit ihren Standeln in der Wiener "Fanzone" und auf den Plätzen für "Public Viewing" aber wäre es existenzbedrohend. Einen weiteren Stimmungsdämpfer können sie sich nicht leisten.
Die für öffentliches Gucken abgesteckten Gebiete sind schlecht besucht, sehr schlecht. Oftmals herrscht gähnende Leere. Im Vergleich zum deutschen "Sommermärchen" sind die Städte und ihre fußballerischen Kernbereiche geradezu entvölkert. Selbst angesagtere Locations wie das Badeschiff am Donaukanal, mit drei Leinwänden bestens ausgestattet, ziehen kaum Fußballfreunde an. Manche Wirte sollen angeblich bis zu 4.000 Euro Verlust machen - pro Tag. Sie haben mit Streik gedroht, falls sich die Lage nicht ändert. Aber wie? Werden die Wiener nun zwangsverpflichtet zum Besuch der "Fanzone"?
Bis zu 40.000 Euro haben die Wirte für Standgebühren ausgegeben, und nun das. "Es ist eine Katastrophe, eine bodenlose Frechheit", wird Gastronom Georg Schmidmayer im Wiener Standard zitiert. Es fehle an Leben, allerorten. "Das ist so was von schlecht geplant von der Stadt Wien." Aber sind Begeisterung und damit starker Umsatz planbar? In Klagenfurt wurden die Standmieten bereits reduziert, in Wien die Getränke verbilligt. Viel ändern wird das nicht. Wenn Österreich ausscheidet, wird die Leere wohl zum bestimmenden Motiv.
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