: Kein Rockumentary
Wie man der Schwierigkeit, Musik abzubilden, begegnet: Jörg Adolph beobachtet in seinem Dokumentarfilm „On/Off the Record“ die Arbeit der Weilheimer Band „The Notwist“
Er gebe eigentlich keine Interviews, lässt The Notwist-Bassist Micha Acher irgendwann im ersten Drittel des Films den Reporter des örtlichen Tageblatts wissen. „Hier ist das ja was anderes, weil wir uns kennen.“ Gleichwohl wird auch er später zu sehen sein – in schier unzähligen, stereotypen Frage-Antwort-Spielen. Da ist das Musikmachen vorbei, das Album fertig, begonnen hat der Promo-Zirkus: der Teil ihrer Profession, der für die vier Notwist-Mitglieder wohl der ungeliebteste sein dürfte.
15 Monate hat Regisseur Jörg Adolph, über dessen preisgekrönte Tischtennisdoku Klein, schnell und außer Kontrolle vor einigen Wochen hier zu lesen war, die Band begleitet, während sie an Neon Golden werkelte, ihrer fünften Platte in gut 13 Jahren. On/Off the Record heißt das Ergebnis, vorfinanziert von Adolphs Eltern, später öffentlich-rechtlich unterstützt. Eigentlich wären sogar alle Zutaten für ein ordentliches „Rockumentary“ vorhanden: Jungs mit Gitarren, Studiobetrieb, Labelsuche und Vertragsverhandlungen, schließlich ein fertiges Produkt und die ersten Konzerte mit dem neuen Material.
Doch unterscheidet sich Adolphs abendfüllender, auf Video gedrehter Film denkbar von gängigen „Making of“-Formaten des Musikfernsehens. Nicht nur, weil im Falle von Notwist – deren inzwischen eingespieltes Image es sein dürfte, eben genau keines zu haben – Bier aus der Dose und schwarzer Kaffee bereits die härtesten Drogen zu sein scheinen, und man weder in Limousinen noch Nightlinern durchs Bild rollt. „Die Musik“, sagt Michas Bruder, Sänger und Gitarrist Markus Acher, „soll zerbrechlich sein, angreifbar. Sie soll Fehler und Schwächen mit einbeziehen und zeigen.“ An anderer Stelle betont er, wie wichtig gerade im heutigen Musikbetrieb „Freaks“ seien, „die man nicht gleich versteht“.
Es scheint, als habe Adolph diese Ästhetik übernehmen wollen: Über weite Strecken vordergründig ereignislos, zeigt On/Off the Record auf, statt zu erzählen, und verharrt in langen, ruhigen Einstellungen. Auch spart er sogar noch an dem, worum es geht: Musik. Als Promotion-Tool ist der Film somit ungeeignet, geht es Adolph offensichtlich kaum darum, neue Notwist-Hörerschichten zu rekrutieren. Hier findet keine Beweisführung statt, warum die porträtierte Band ein Muss sei, und Platten verkaufen sich auch nicht umso besser, je aufwendiger und kleinteiliger der Entstehungsprozess dokumentiert wird. Vielleicht, weil Musik kaum zu filmen ist, richtet Adolph seinen Blick zwischen Sample-Klötzchen-Schieben im Studio und Fußballspielen im Hof auf die Hand voll Menschen, die daran arbeiten oder darüber reden, sei es gerne oder nicht. Alexander Diehl
Donnerstag, 20 Uhr, Lichtmeß
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