: Kein Rauch ohne Flamme
In Israel halten sich hartnäckig Gerüchte über einen bevorstehenden offiziellen Besuch aus Saudi-Arabien/ Regierung in Riad dementiert/ Ein israelisch-saudisch-amerikanisches Bündnis wäre aus israelischer Sicht von Vorteil ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
In Israel gehen Gerüchte um, daß der Besuch einer wichtigen saudischen Delegation in Jerusalem bevorstehe. Die halbamtliche israelische Fernsehstation berichtete am 12. Mai, daß ein Bruder von König Fahd, Emir Turki Ibn Abdel Aziz, in ein paar Tagen mit großem Gefolge in Jerusalem eintreffen soll. Andere Quellen wollten von der Ankunft des saudischen Botschafters in Washington, Prinz Bandar Ben Sultanm, wissen. Andere prophezeiten gar die Ankunft von König Fahd persönlich. Die Quellen der Gerüchte sind undurchsichtig.
In einer arabischen Zeitung, die in Nazareth erscheint, berief man sich auf spanische Quellen. Andere Berichte sprachen von einer bevorstehenden Reise saudischer Bankiers nach Jerusalem, „um Palästinenser wirtschaftlich zu unterstützen und ihnen bei der Zusammenstellung einer Delegation für die bevorstehende Regionalkonferenz zur Beilegung des israelisch-arabischen Konflikts zu helfen“. Die saudische Regierung mußte den Gerüchten schließlich selbst entgegentreten: Es handele sich lediglich um „phantastische Erfindungen, die nichts mit der Realität zu tun haben“, gab sie in Riad bekannt. Am 14.5. stand in der in Ostjerusalem erscheinenden Zeitung 'Annahar‘: „Saudischer Prinz dementiert Jerusalembesuch“.
Dennoch: kein Rauch ohne Flamme. Aus israelischer Sicht ist Saudi-Arabien ein geheimnisvolles, unermeßlich reiches Wüstenland. Militärisch immer noch ein Feind — aber ohne gemeinsame Grenzen mit Israel; und wie Israel ein enger Verbündeter der USA im Nahen Osten. Im Golfkrieg war Saudi-Arabien eigentlich ein Verbündeter — gegen den Irak. Sollte es zu bilateralen Verhandlungen im Rahmen der von Baker befürworteten Nahostkonferenz kommen, wäre Saudi-Arabien für Israel ein besonders favorisierter Verhandlungspartner.
Die saudische Regierung gab zunächst zu verstehen, daß sie sich an israelisch-arabischen Friedensverhandlungen beteiligen werde, allerdings unter der Voraussetzung, daß auch das Palästina-Problem gelöst werde.
Am 21.3. erklärte der saudische Außenminister seinem amerikanischen Amtskollegen Baker dann, daß seine Regierung doch nicht teilnehmen werde. Als der US-Senat diese Entscheidung scharf kritisierte, wählte die saudische Regierung einen Mittelweg: Zunächst solle ein Vertreter des unter saudischem Einfluß stehenden „Golf-Kooperationsrats“ (GCC) an der Konferenz teilnehmen. Falls es dann später zu Verhandlungen über gemeinsame Projekte, zum Beispiel Entwicklung der Wasserressourcen im Nahen Osten, kommen sollte, würde sich Saudiarabien direkt in die Verhandlungen einschalten. Die israelische Regierung zeigte sich enttäuscht.
Der israelische Saudi-Arabien- Spezialist Prof. Mordechai Abir hält die ambivalente Haltung Riads gegenüber Israel für „enttäuschend, aber nicht überraschend“. Während einer Pressekonferenz erklärte er, daß die saudische Führung unter König Fahd und seinen Brüdern „Washington gerne helfen würde, die arabischen Vorbehalte gegen Verhandlungen mit Israel zu überwinden“. Die Angst vor Differenzen mit der Ulama, der konservativen religiösen Elite Saudi-Arabiens, habe die Regierung jedoch gedrängt, die Teilnahme an einer Konferenz mit Israel zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen. Die innerhalb des mächtigen „Königlichen Rates“ besonders einflußreichen sieben Sudeiri-Brüder gelten zwar als pro-israelisch, könnten aber nicht gegen die saudische Ulama und die Stammesführung der Umara angehen, die für Israel nichts übrig haben.
Als Israel und Saudi-Arabien gemeinsam gegen den Irak standen, setzte man in Washington wie in Jerusalem auf Riad als zukünftige führende Kraft im Nahen Osten. Israel hatte an einer solchen Rolle Saudi- Arabiens auch deshalb besonderes Interesse, weil es seit langem Konflikte zwischen der saudischen Führung und der PLO gibt. In Saudi-Arabien gelten die Palästinenser als subversive, oppositionsfördernde Elemente, als „Fremde mit linken Ansichten“, die den saudischen Konservativismus gefährden. Zehntausende von Palästinensern wurden während des Krieges gegen den Irak aus Saudi-Arabien ausgewiesen.
Bereits im vergangenen Jahr versprach der saudische Botschafter in Washington, Prinz Bader Ben Sultan amerikanischen Senatoren und amerikanisch-jüdischen Politikern in den USA, daß seine Regierung versuchen werde, die arabischen Staaten mit Israel an einen Tisch zu bringen. Die Äußerungen des ohnehin als Israel-freundlich bekannten Prinzen wurden in Israel erfreut aufgenommen. Das Gefühl, einen neuen Bundesgenossen gefunden zu haben, wurde auch durch die irakischen Scuds bestärkt, die sowohl gegen Israel als auch gegen Saudi-Arabien abgefeuert wurden.
Für Israel gibt es aber noch andere Gründe, die eine Beteiligung Saudi- Arabiens an einer Regionalkonferenz und an bilateralen Gesprächen herbeizuwünschen. Israelische Offizielle betonen, daß sie es begrüßen würden, wenn Saudi-Arabien statt Jordanien die heiligen Stätten des Islam in Ost-Jerusalem verwalten würde, nicht zuletzt, weil die Palästinenser in Jordanien nicht ohne Einfluß sind.
Auch Lösungen für den Status des von Israel annektierten Ost-Jerusalem wären mit Saudi-Arabien als Vertreter der islamischen Interessen leichter zu finden, als mit Jordanien und den Palästinensern.
Saudi-Arabien gehört nicht zu den arabischen Staaten, gegen die Israel einen direkten Krieg geführt hat und scheint für eine „konstruktive Rolle im Hintergrund“ der Konfrontationsstaaten bestens geeignet, sobald es zu direkten Verhandlungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn kommt. Das reiche Saudi- Arabien hat auf das arme Ägypten ebenso wie auf Syrien großen Einfluß. Israel bat deshalb die USA wiederholt, die saudische Regierung in den Kreis der potentiellen arabischen Verhandlungspartner Israels aufzunehmen. Einstweilen halten sich die Saudis jedoch im Hintergrund. Sie wollen nicht im Zentrum der amerikanisch-sowjetischen Initiative stehen, deren Scheitern immer wahrscheinlicher wird.
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