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„Kein Persilschein für Deserteure“

SPD-Antrag zur Rehabilitierung von Deserteuren des Zweiten Weltkriegs wird im Bundestag keine Mehrheit finden / CDU setzt bei den wenigen Überlebenden auf Zeit  ■ Von Hans-Hermann Kotte

Berlin (taz) – Die Rehabilitierung und Entschädigung von Deserteuren, Wehrdienstverweigerern und „Wehrkraftzersetzern“ des Zweiten Weltkriegs wird von den Christdemokraten weiter verschleppt. Ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion, der den Bundestag auffordert, die über 100.000 Urteile des Volksgerichtshofs und der NS-Militärjustiz generell für Unrecht zu erklären, wird im Plenum keine Mehrheit finden. Abgestimmt werden soll der SPD- Antrag, der zur Zeit in den Ausschüssen beraten wird, im Juni. Schon jetzt zeichnet sich jedoch sein Scheitern ab, weil er die sechzig für eine Mehrheit fehlenden Stimmen aus der CDU-Fraktion keinesfalls bekommen wird. Die CDU will, wie die taz erfuhr, weder die Abstimmung für die eigenen Abgeordneten freigeben noch einen eigenen Antrag einbringen. Die SPD wiederum möchte sich ihren Antrag nicht durch einen Kompromiß mit der CDU verwässern lassen, wie Uwe Lambinus, Sprecher der SPD-Fachgruppe „Entschädigung von NS-Unrecht“ der taz sagte. Lambinus: „Entweder die CDU erkennt an, daß dies ein völkerrechtswidriger Krieg war oder nicht.“

Die CDU sorgt sich eben, daß der SPD-Antrag „auch die Moral der Streitkräfte im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat untergraben könnte“ (MdB Klaus-Heiner Lehne). Die Opfer des NS-Terrorsystems (20.000 von 30.000 Todesurteile wurden vollstreckt) müssen deshalb weiter als „Feiglinge“ diffamiert werden können. Und die von 1945 bis heute ausgebliebene Entschädigung der Überlebenden für die Zeit in der Todeszelle, in KZs und im Strafbataillon bleibt so weiterhin einer entwürdigenden „Einzelfallprüfung“ nach „Härterichtlinie“ überlassen. 1991 wurden von 22 Anträgen auf Entschädigung 20 abgelehnt, 1992 von 28 Anträgen 26.

Die Christdemokraten wollen die Desertion partout nicht als Widerstandshandlung in einem verbrecherischen Krieg anerkannt wissen. Desertion sei „nicht in jedem Fall ein billigenswerter Akt“, sagte der Strafrechtsreferent der CDU-Fraktion Roger Kusch gegenüber der taz. Deserteure dürften moralisch nicht auf eine Stufe etwa mit den Attentätern des 20. Juli gestellt werden, ein „Persilschein“ für Deserteure „würde allen damaligen Soldaten einen Makel anheften“.

Für die wenigen Überlebenden bedeutet die starre Haltung der CDU, daß sie gezwungen sein werden, in der neuen Legislaturperiode nach der Bundestagswahl im Herbst ihren Kampf um „späte Anerkennung und Würde“ erneut zu beginnen. So bezeichnet Ludwig Baumann (72), ehemaliger Deserteur aus Bremen und Vorsitzender der Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz, die Arbeit seiner seit drei Jahren bestehenden Organisation. Für Baumann ist klar, daß die CDU gegenüber den meist gebrechlichen und von Krankheit gezeichneten Überlebenden auf Zeit setzt: „Die CDU wartet auf die biologische Lösung.“

Hinter dem SPD-Antrag, der im Dezember 1993 erstmals debattiert wurde, stehen auch die Bündnisgrünen und die PDS. Aus der in dieser Frage gespaltenen CDU haben sich Rita Süssmuth, Friedbert Pflüger, Heiner Geißler, Horst Eylmann und Rainer Eppelmann aufgeschlossen gezeigt. Die FDP ist ebenfalls gespalten.

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