: Kein Fall für die Medien
Prozess um Säuglingstötung hat begonnen. Jugendkammer schließt fürsorglich Öffentlichkeit aus
Yasmin K. erscheint im Gerichtssaal 237 im grünen Parker. Die Kapuze über den Kopf gezogen, vermummt mit dunkler Sonnenbrille und Schal. Sie möchte unerkannt bleiben, gerade von der Journaille. Doch zu Verhandlungsbeginn muss die 20-Jährige ihren Kopf enthüllen. Mit mädchenhafter Stimme bestätigt sie Namen und ihr Alter. Dann beantragt ihr Anwalt Philip Napp, die Öffentlichkeit für die Dauer des gesamten Prozesses – angefangen mit der Verlesung der Anklage bis hin zur Urteilsverkündung – auszuschließen. Die junge Frau ist angeklagt, nach der Geburt ihren Säugling erwürgt und dann in einer Plastiktüte in eine Mülltonne gelegt zu haben.
Die Landgerichts-Jugendkammer unter dem Vorsitz von Richter Egbert Walk brauchte gestern keine 15 Minuten, um diesem Antrag im vollem Umfang stattzugeben. So solle eine „Bloßstellung“ vermieden werden, die die „persönliche, soziale und berufliche Entwicklung“ beeinträchtige, so Walk. Schon durch die Verlesung der Anklage würden Informationen aus K.s „persönlichem, sozialem und familiärem Umfeld“ sowie Details aus dem psychiatrischen Gutachen bekannt, die die Öffentlichkeit nichts angingen. Bereits nach der Tat hatten Medien der damals 18-Jährigen derart nachgestellt, dass sie sich eine neue Wohnung suchen musste.
Anwohner des Wiesenwegs in Sasel hatten am 21. Februar 2003 das in eine Plastiktüte gelegte tote Baby in einer Mülltonne aufgefunden. Durch „sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung“ waren gleich zehn Frauen ins Visier geraten, die zum Speicheltest gezwungen wurden. Yasmin K. hatte sich zunächst geweigert, sich eine DNA-Probe entnehmen zu lassen, stellte sich aber wenig später in Begleitung eines Anwalts der Mordkommission.
Die Polizei war zuerst davon ausgegangen, dass das Baby noch gelebt hat, als es in die Plastiktüte gelegt wurde. Daher lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft zunächst auf Mord – die Ermittler vermuteten „egoistische Motive“, da K. „ihren Lebenstil nicht einschränken wollte“. Das Gericht hat die Anklage mittlerweile auf Totschlag modifiziert. Offenbar nimmt das Gericht an, dass die junge Frau das Kind in einer psychischen Notlage direkt nach der Geburt erwürgt hat. Kai von Appen