: Kein Einlaß in Disco für Rollstuhlfahrer
■ Behinderte dürfen nicht im Kulturzentrum „Zeit-los“ feiern
Eine Woche lang hatten sich die vier RollstuhlfahrerInnen und drei „Normalbehinderte“ auf ihre wochenendliche Disco-Tour gefreut. Am vergangenen Samstag hatten sie sich mit ihren zwei Betreuern vorgenommen, gemeinsam mit ihrer Gruppe „Freizeitclub“ von der Spastiker-Hilfe Berlin die Dance- Party des Schöneberger Vereins „Zeit-los“ zu besuchen.
Doch als die Frauen und Männer vor dem esoterisch angehauchten Zentrum ankamen, erhielten sie keinen Einlaß: Zutritt nur für Nicht-Behinderte.
„Zehn Prozent Behinderte in meinem Laden verderben die Atmosphäre“, bekam der begleitende Betreuer Thomas Kammertöns vom Geschäftsleiter Walter Stelle zu hören. Noch ein paar Tage zuvor hatte eine Mitarbeiterin des Clubs telefonisch zugesagt, daß es für Behinderte nicht problematisch sei, sich in den Räumlichkeiten des „Zeit-los“ aufzuhalten. Auch wenn nach einem weiteren Telefongespräch der Einlaß nicht definitiv zugesagt wurde, legten die beiden Betreuer als nächste Veranstaltung den Disco-Besuch fest. Für sie war klar, daß sieben Behinderte bei einer Tanzveranstaltung keinesfalls „negativ auffallen“ würden.
Nachdem sie jedoch drei Stunden lang alle Behinderten zu Hause abgeholt hatten und endlich vor dem Club ankamen, waren die Räumlichkeiten plötzlich nicht mehr rollstuhlgerecht. Auch nach einer längeren Diskussion habe der Türsteher und Geschäftsleiter keinerlei Verständnis gezeigt. Da das Zentrum erst zum zweiten Mal nach einer Renovierung wieder geöffnet sei, bildeten Behinderte einen „deutlichen Störfaktor“. Um die Auseinandersetzung nicht eskalieren zu lassen, beschlossen die Betreuer jedoch, eine andere Disco zu besuchen.
„Die Betreuer wollten auf dem Rücken der Behinderten ihren Ego-Trip ausleben“, so der Geschäftsführer gegenüber der taz. Nur über eine Wendeltreppe könne man auf die mit Teppichboden ausgelegte Tanzfläche gelangen. Alle Besucher tanzten barfuß. Für Behinderte seien diese Räumlichkeiten nur nach einer längeren Vorbereitung geeignet. Integration unter „ganzheitlichen Gesichtspunkten“ sei das Ziel ihres Vereines.
Das Veranstaltungsangebot von „Zeit-los“ ziele darauf ab, die Menschen beispielsweise in Yoga- Kursen zusammenzuführen. Disco-Abende verliefen unter Rauchverbot und ohne stärkere alkoholhaltige Getränke. Der Verein sei ein Kommunikationszentrum, das der Selbstfindung diene. Wer sich jedoch an die Spielregeln nicht halte – wozu offenbar Behinderte zählen –, könne auch nicht zu ihnen kommen. Christine Schiffner
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