: Kein Denkmal für Rassisten
Hamburg und der deutsche Kolonialismus: Die öffentliche Auseinandersetzung wird möglichst tief gehängt, kritisiert Heiko Möhle vom Eine-Welt-Netzwerk Hamburg. Dafür gibt es auf den Friedhöfen Grabmäler, die die Kolonialherren in nachdenklicher Pose zeigen
taz: Inwieweit waren Hamburg und Norddeutschland mit dem Maji-Maji-Krieg verknüpft?
Heiko Möhle: Hamburg spielte als größter deutsche Hafen eine zentrale Rolle für die Kolonialwirtschaft, da hier die meisten Kolonialhandelsunternehmen saßen, etwa die Firma Woermann. Mit Dampfern der Deutsch-Ostafrika-Linie wurde damals zum Beispiel Baumwolle aus dem heutigen Tansania nach Hamburg transportiert. Der Baumwollanbau war auch einer der Gründe für den Maji-Maji-Aufstand, denn die Arbeiter mussten auf den Plantagen Zwangsarbeit leisten und erhielten einen kleinen Lohn erst dann, wenn die Baumwolle im Hamburger Hafen verkauft worden war. Das konnte bis zu einem Jahr nach der Ernte dauern.
Hamburg spielte aber auch militärisch eine Rolle.
Vom Hamburger Baakenhafen aus sind Truppen und Waffen nach Ostafrika verschifft worden. In den Garnisonen Wilhelmshaven und Kiel waren Marinetruppen stationiert, die so genannten Seebataillone, die bei Aufständen in den Kolonien als erste Verstärkung eingesetzt wurden.
Im „Tansania-Park“ findet sich keine kritische Erinnerung an den Krieg. Wie sieht es an anderen Orten in Hamburg aus?
Eine offizielle, kritische Erinnerung an den deutschen Kolonialismus gibt es bislang nicht. Das einzige, was man als Versuch in diese Richtung beschreiben könnte, ist die multimediale Denkmalsaktion der Künstlerin Jokinen. Sie hat das beschädigte Wissmann-Denkmal an den Landungsbrücken wieder aufgestellt, der ja der erste Gouverneur Deutsch-Ostafrikas war. Es soll zur Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus provozieren, was von den Passanten sehr unterschiedlich aufgenommen wird. Derzeit ziert das Denkmal das Graffito „Kein Denkmal für Rassisten“, das wohl auch bewusst nicht entfernt werden soll.
Gibt es ansonsten noch Spuren des Maji-Maji-Krieges?
Nein, es gibt keine unmittelbaren Spuren, die man als solche noch erkennen kann. Aber einer der Protagonisten des Krieges, der Gouverneur Graf von Goetzen, ist auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beerdigt und dort auch mit einem Denkmal verewigt, das ihn in nachdenklicher Pose zeigt. Auf dem Denkmal wird auch darauf hingewiesen, dass er Gouverneur in Deutsch-Ostafrika war. Allerdings wird dort mit keinem Wort seine Beteiligung an diesem Krieg erwähnt, bei dem unter seiner Verantwortung hunderttausende Menschen ums Leben kamen.
Wie bewerten Sie den Umgang Hamburgs mit seiner Kolonialvergangenheit?
Es gibt eigentlich kaum einen Umgang damit. Die Debatte um den Tansania-Park hat gezeigt, dass der Hamburger Senat eifrig bemüht ist, jede öffentliche Diskussion über die Kolonialvergangenheit der Hansestadt möglichst tief zu hängen. Wir haben den Eindruck, dass eine öffentliche Auseinandersetzung darüber nicht gewünscht ist. Innerhalb des Senats fühlt sich niemand zuständig, sich zu diesem Thema öffentlich zu äußern. Hamburg, das jahrhundertelang von Europas Kolonialexpansionen profitierte, sollte heute eine Vorreiterrolle in der kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit spielen. Bislang ist aber das Gegenteil der Fall. Erst vor kurzem wurden prominente Plätze der Hafencity nach kolonialen Eroberern wie Fernando Magellan benannt. Interview: Anke Schwarzer
„Das Tor zum Weltreich – Hamburg und der deutsche Kolonialismus“, Hafenrundfahrt, Freitag, 12. August, 17 Uhr, Anleger Vorsetzen (U-Bahn Baumwall, Ausgang Überseebrücke)