Kein Baggern in der Fahrrinne: Weder Weser noch Elbe
Die Vertiefungen der beiden Flüsse für Containerfrachter verzögern sich. Bei einem Ortstermin im Frühjahr 2012 will sich das Bundesverwaltungsgericht ein Bild machen. Vorher darf nicht gebaggert werden
HAMBURG taz | Um mindestens ein halbes Jahr wird sich die geplante Vertiefung der Weser verschieben. Das folgt aus einer Erklärung des Bundesverwaltungsgerichts (BVERWG) in Leipzig über den Sachstand. Nach der Stellungnahme dürfte auch die nächste Vertiefung der Unterelbe weiter in die Zukunft rücken. "Zu Beginn nächsten Jahres wird in der Elbe ganz sicher nicht gebaggert", freut sich der wirtschaftspolitische Sprecher der Hamburger Grünen, Anjes Tjarks. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Hamburg hält es für "ein gutes Signal", dass das höchste deutsche Verwaltungsgericht sich des Planfeststellungsverfahrens an der Weser annimmt.
In einem "Ortstermin mit allen Beteiligten" sollen offene Fragen zur Weservertiefung geklärt werden, sagt Gerichtssprecher Wolfgang Bier. Der Termin werde voraussichtlich im Frühjahr stattfinden, Ort und genauer Zeitpunkt stünden noch nicht fest. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) Nordwest in Aurich, die das Ausbaggern im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums plant, sei von den Leipziger Bundesrichtern gebeten worden, "bis dahin keine Baumaßnahmen vorzunehmen", sagt Bier. Das sei zugesagt worden.
WSD-Sprecher Frank Hentschel bestätigt das. Dadurch werde sich das Projekt "um einige Monate verzögern", der für diesen Monat vorgesehene Start der Auftragsvergabe sei entsprechend vertagt worden.
Für die Vertiefung von Außen- und Unterweser (siehe Kasten) liegt bereits ein formeller Planfeststellungsbeschluss vor. Gegen diesen wurden im September beim BVERWG sieben Klagen eingereicht. Unter den Klägern sind Landwirte, die Wesergemeinde Stadland und die BUND-Landesverbände von Bremen und Niedersachsen. Sie kritisieren "schwere Abwägungsfehler", eine unzureichende Prüfung von Alternativen und werfen der WSD Nordwest "Voreingenommenheit zugunsten der Weservertiefung" vor. Vor allem wird bemängelt, "dass alle Natura-2000-Schutzgebiete entlang der Weser und ihrer Nebenflüsse erheblich beeinträchtigt werden".
Vier Kläger beantragten einen vorläufigen Baustopp im Eilverfahren. Dazu aber sieht sich das Gericht wegen der Komplexität der Materie nicht in der Lage, wie Gerichtssprecher Bier sagt. Erst nach der Ortsbesichtigung werde der zuständige Senat "eine Meinungsbildung vornehmen". Ob dann faktisch ein Baustopp verhängt werde oder nicht, sei "zur Zeit vollkommen offen".
Der Hamburger Anwalt des BUND, Rüdiger Nebelsieck, erfuhr am Mittwoch von der taz von dem angesetzten Ortstermin. Ihm liege noch keine Einladung des Bundesverwaltungsgerichts vor, sagt er, deshalb könne er dazu keine Stellung nehmen. Aber wenn das Gericht zu einer solchen Veranstaltung lade, sagt der Anwalt, "dann erscheint man selbstverständlich".
Die Pläne für die Vertiefungen von Weser und Elbe sehen so aus:
Die Fahrrinne der Außenweser zwischen der Nordsee und Bremerhaven soll bis zu 1,20 Meter tiefer und 100 Meter breiter werden.
Für die Unterweser von Bremerhaven bis Brake sind 90 Zentimeter Absenkung geplant, von Brake bis Bremen 40 Zentimeter.
Die Fahrrinne der Unterelbe zwischen Cuxhaven und Hamburg soll um einen Meter vertieft und an mehreren Stellen auf bis zu 400 Meter verbreitert werden.
Ein tideabhängiger Tiefgang von 14,50 Metern soll dadurch erreicht werden, also bei Flut.
Unabhängig von der Tide soll ein Tiefgang von 13,50 Metern gewährleistet werden.
Der WSD Nordwest hingegen liegt die Einladung bereits vor, bestätigt Sprecher Hentschel. Dabei gehe es "um reine Sachaufklärung", so seine Einschätzung. Offenbar wollten die Leipziger Richter sich bei einer "fachlichen Erörterung" an der Küste ein eigenes Bild von den Bedingungen einer Bundeswasserstraße im Tidegebiet machen.
Nach Ansicht des Hamburger BUND hat das große Bedeutung für die Elbvertiefung. "Die Verantwortlichen sollten die Notbremse ziehen", findet Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Mit einer Planfeststellung rechnet der Hamburger Senat zum Jahresende, Anfang 2012 könnten die Bauarbeiten beginnen.
Der grüne Fraktionschef in der Bürgerschaft, Jens Kerstan, verweist hingegen auf das Vorbild Antwerpen. Im belgischen Konkurrenzhafen zu Hamburg hätten sich kürzlich Hafenwirtschaft und Umweltschützer am runden Tisch geeinigt. Die Zufahrt wurde weniger vertieft als geplant, für ökologischen Ausgleich wurden dreistellige Millionenbeträge bereitgestellt und alle Klagen gegen das Projekt fallengelassen. "Der Konflikt wurde entschärft", sagt Kerstan, "Hafen und Umwelt profitieren davon." Auch der Hamburger Senat solle besser den Dialog mit den Naturschutzverbänden suchen, empfiehlt der Grüne: "Sonst droht er an seiner eigenen Arroganz zu scheitern."
Beim Präsidenten des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, Gunther Bonz, trifft Kerstan damit allerdings auf taube Ohren. In Bild antwortete er am Mittwoch auf die Frage, ob dies die letzte Elbvertiefung sei: "Ich denke nein."
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