Kaum mehr Geld für Klimaschutz: Bruch mit Kopenhagen
Statt zusätzliches Geld für Klimaschutz bereit zu stellen, schichten die Haushälter überwiegend Mittel um. Die Opposition sieht einen klaren Bruch des Kopenhagen-Versprechens.
Es war einer der wenigen Lichtblicke beim ansonsten deprimierenden Klimagipfel in Kopenhagen: Während es bei den Treibhausgasen selbst keinerlei Fortschritte gab, rangen sich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt in einer langen Nachtsitzung immerhin zu einer konkreten Finanzzusage durch: Insgesamt 30 Milliarden Dollar sollten die Entwicklungsländer für den Zeitraum von 2010 bis 2012 bekommen, um Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Die EU wollte davon 2,4 Milliarden Euro pro Jahr übernehmen, Bundeskanzlerin Merkel sagte in Kopenhagen eine Summe von 420 Millionen Euro jährlich zu. Ein Misserfolg des Gipfels, so Merkel damals in ihrer beklatschten Rede, wäre ein "schreckliches Signal für alle, die unserer Welt im 21. Jahrhundert eine gute Zukunft geben wollen".
Zweieinhalb Monate später zeigte sich nun, ebenfalls in einer Nachtsitzung, was das Versprechen von Kopenhagen wert war. Am frühen Freitagmorgen einigte sich der Haushaltsausschuss des Bundestags auf den Etat für das Jahr 2010. Statt der zugesagten 420 Millionen Euro sind nur 70 Millionen Euro zusätzlich eingestellt worden - und selbst das erst nach heftigem Streit und mehreren Sitzungsunterbrechungen. Ursprünglich hatten die Haushaltspolitiker der schwarz-gelben Koalition geplant, überhaupt kein frisches Geld bereitzustellen, sondern ausschließlich bisherige Ausgaben aus den Etats des Umwelt- und des Entwicklungsministeriums umzudeklarieren.
Für 80 Prozent des Kopenhagen-Versprechens gilt das weiterhin: So rechnet die Regierung die ohnehin für den Klimaschutz vorgesehenen Gelder aus der Versteigerung der Emissionshandelszertifikate ebenso in die Summe rein wie bilaterale Entwicklungshilfe. Zudem Gelder, die Angela Merkel im Jahr 2008 bei der Biodiversitäts-Konferenz in Bonn - ebenfalls in einer international bejubelten Rede - für den internationalen Tropenwaldschutz versprochen hatte.
Die Opposition sieht darum einen klaren Bruch der Kopenhagen-Zusage. Dass die Regierung "nicht einmal ihre bescheidenen Zusagen" einhalte, sei ein "Skandal", erklärte etwa der Grünen-Haushaltspolitiker Sven Kindler. "Bundesumweltminister Röttgen ist vorgeführt worden." Auch SPD und Linke übten Kritik.
Die Regierung wies diese entschieden zurück. "Die Finanzzusagen werden eingehalten", erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Deutschland stellt von 2010 bis 2012 im Schnitt 420 Millionen Euro bereit." Er räumte aber ein, dass darin Waldschutz- und Entwicklungshilfegelder einberechnet seien. Auch das Umweltministerium erklärte, die Kopenhagen-Zusage werde eingehalten. Dass Minister Norbert Röttgen (CDU) mit der Lösung tatsächlich zufrieden ist, darf allerdings bezweifelt werden. Sowohl im Dezember in Kopenhagen als auch im Januar im Haushaltsausschuss hatte er noch explizit erklärt, bei den gesamten 420 Millionen Euro sollte es sich um zusätzliche Gelder handeln, die nicht mit ohnehin geplanten Entwicklungs- und Naturschutzgeldern verrechnet werden dürften.
Auch der "Copenhagen Accord", das mühsam erkämpfte Abschlussdokument des Klimagipfels, legt sich eindeutig fest: "new and additional", also neu und zusätzlich zu bisherigen Zahlungen sollen die von den Industrienationen versprochenen Finanzhilfen sein. Hinter diese Zusage falle Deutschland nun eindeutig zurück, erklärt Jan Kowalzik, Klimareferent bei der Entwicklungsorganisation Oxfam. "Als ,frisches Geld' im Sinne des Copenhagen Accord können lediglich 70 Millionen Euro bezeichnet werden. Der Rest ist eine Mogelpackung."
Die Organisation Germanwatch zeigte sich zwar erleichtert, dass die zusätzlichen Gelder nicht, wie zwischenzeitig geplant, komplett gestrichen wurden. Dennoch sei die Entscheidung "nicht das gewünschte Signal für ernsthaften Klimaschutz", sagte Geschäftsführer Christoph Bals.
Die Verhandlungen über ein weltweites Klimaschutzabkommen, die in Kopenhagen gescheitert waren, sollen im April in Bonn wieder aufgenommen werden. Mit welchen Versprechen die Bundesregierung dann auftreten wird, ist noch offen.
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