Klimaschutz in Europa: Weniger Treibhausgase für weniger Geld

Die gedrosselte Produktion während der Wirtschaftskrise hat gezeigt: Strengere Klimaschutzziele wären ohne zusätzliche Kosten möglich. Doch die Wirtschaftslobby will das nicht.

Weniger soll es werden: EU-Kommissarin Connie Hedegaard forderte am Mittwoch in Brüssel strengere Klimaschutz-Ziele. Bild: ap

BERLIN taz | Die Wirtschaftskrise macht den Klimaschutz billiger. Weil die Unternehmen 2008 und 2009 deutlich weniger produzierten als angenommen, ist die von der Europäischen Union angestrebte Reduzierung des Treibhausgasausstoßes um 20 Prozent nunmehr für 48 Milliarden Euro pro Jahr zu haben. Vor zwei Jahren war die EU-Kommission, die diese Berechnungen am Mittwoch vorlegte, noch von 70 Milliarden Euro ausgegangen. Für so viel Geld wäre nun sogar die Kürzung der Treibhausgase um 30 Prozent, die insgesamt 81 Millionen Euro pro Jahr kostet, zum großen Teil finanzierbar. Doch noch will niemand die Chance zum Schnäppchen nutzen.

"Die Frage, ob unser Reduktionsziel von 20 Prozent auf 30 Prozent angehoben werden soll, ist eine politische Entscheidung, die die leitenden Politiker zu gegebener Zeit treffen müssen", erklärte die für Klimaschutz zuständige EU-Kommissarin Connie Hedegaard in Brüssel. In einem am Mittwoch in der FAZ abgedruckten Interview wird sie deutlicher: "Würden wir dafür etwas im Gegenzug von anderen Staaten bekommen? Ich bin mir da nicht so sicher."

Schließlich ist eine solche Erhöhung ja bislang daran geknüpft, dass auch die anderen Staaten sich entsprechende Ziele setzen.Vielleicht hätte es etwas gebracht, wenn die EU diesen Schritt eine Woche vor Kopenhagen angekündigt hätte, räumt die Dänin in dem Interview ein. Doch jetzt sei nicht der Zeitpunkt, über eine Erhöhung der Ziele zu reden.

Die Wirtschaftslobby wird dies gern gehört haben. Denn bereits am Dienstag, als die ersten Zahlen aus der Studie öffentlich wurden, verwiesen nicht nur der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Industrie und Handelskammertag auf drohende Wettbewerbsnachteile und zu hohe Kosten, die sich die Unternehmen in Zeiten der Krise nicht leisten könnten. Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) forderte "nach dem Scheitern des Kopenhagener Klimagipfels mehr Zeit für die nötigen Anpassungsprozesse".

Im Bundesumweltministerium wird das anders gesehen: Da Deutschland ohnehin auf ein Reduktionsziel von 40 Prozent festgelegt sei, würde sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verbessern, wenn die Nachbarstaaten ihre Anstrengungen verstärken müssten. "Wer gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa will, muss demnach mindestens für 30 Prozent europaweit sein", sagte ein Ministeriumsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Offenbar wolle die Wirtschaft das europäische 30-Prozent-Ziel verhindern und dann mit dem Argument des Wettbewerbs das deutsche 40-Prozent-Ziel kippen.

Hedegaard sieht hingegen solche Klimaschutzziele als wichtige Innovationsförderer. "Die Geschichte zeigt, dass die Industrie ohne Druck Innovationen verschläft", sagte sie der FAZ. Die Wettbewerber aus China holten mit Riesenschritten auf und hätten Deutschland bereits als Marktführer in der Solartechnik überflügelt, auch bei der Windkraft seien sie an Deutschland vorbei. "Wir dürfen bei allen Sorgen um die Industrie des 20. Jahrhunderts nicht die Industrie des 21. Jahrhunderts vergessen", sagte Hedegaard.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.