: Katholische Entrechtung
betr.: „Katholiken sollen nicht zum Kadi gehen“, taz vom 20. 2. 04
Nicht erst seit dem Erlass des Regensburger Bischofs werden Beschäftigte im kirchlichen Bereich in ihren Rechten beschnitten. Das beginnt im Arbeitsrecht: Das Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht für kirchliche Sozialeinrichtungen. Anstelle von Betriebsräten gibt es nur weitgehend rechtlose Mitarbeitervertretungen. Diese können nicht einmal normale Kontakte zu Gewerkschaften pflegen, wenn es der Betriebsleitung nicht gefällt. Eine kirchliche soziale Einrichtung hat sich vor Gericht das „Recht“ erstritten, einem Gewerkschaftsvertreter trotz Einladung der Mitarbeitervertretung den Zutritt zu verweigern.
Über Arbeitsbedingungen und Entgelt verfügen kirchliche Arbeitgeber immer noch nach Gutsherrenart. Nahezu überall verweigern sie den Abschluss von Tarifverträgen (Ausnahmen: die evangelischen Kirchen in Nordelbien und Berlin-Brandenburg). Zu schweigen von einem Recht auf Streik zur Durchsetzung von Arbeitnehmerforderungen. Noch immer kommen die Kirchen damit durch, ihren Arbeitnehmern dies sonst selbstverständliche Recht zu verwehren.
Nicht nur im Bereich des Arbeitsrechts, auch im Bereich der allgemeinen bürgerlichen Rechte sind kirchliche Arbeitnehmer Bürger minderen Rechts. Selbst Arbeitnehmer, die ganz andere Aufgaben haben als die Religionsausübung, etwa Krankenschwestern in einem katholischen Krankenhaus, müssen mit Benachteiligungen am Arbeitsplatz rechnen, sogar mit Kündigung, wenn sie beispielsweise aus der Kirche austreten, einen Geschiedenen heiraten oder öffentlich eine liberale Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen vertreten. Kirchliche Arbeitgeber denken gar nicht daran, das Recht ihrer Arbeitnehmer auf Religionsfreiheit, auf Ehe und Familie und auf Meinungsfreiheit zu respektieren.
Im katholischen Bistum Regensburg ist jetzt also zu befürchten, dass „kirchlichen Mitarbeitern der Rechtsschutz durch weltliche Arbeitsgerichte“ genommen werden soll. Wundert das irgendjemanden? Eine solche Entrechtung von abhängig Beschäftigten liegt doch seit jeher im Charakter der Katholischen Kirche.
IRENE NICKEL, Braunschweig
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