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Archiv-Artikel

Katholiken wollen Geld ohne Beratungsschein

Kirchliche Organisationen wie die Caritas verlangen für ihre allgemeine Schwangerenberatung staatliche Zuschüsse. Doch die Länder wollen nicht zahlen. Den Streit wird heute das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden

FREIBURG taz ■ Auf Druck ihrer Kirche sind katholische Beratungsstellen vor fünf Jahren aus der Schwangerenkonfliktberatung ausgestiegen. Jetzt will das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden, ob solche Beratungsstellen Anspruch auf staatliche Finanzierung haben.

Nach dem Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch straflos, wenn er von einem Arzt innerhalb von 12 Wochen nach der Empfängnis vorgenommen wird und die Frau mindestens drei Tage vor dem Eingriff eine anerkannte Beratungsstelle aufgesucht hat. Diese „ergebnisoffene“ Beratung soll die Frau, laut Schwangerschafts-Konfliktgesetz, „ermutigen, nicht belehren und bevormunden“. Auf diesen Modus einigte sich 1992 die Mehrheit des Bundestags. Das werdende Leben sollte mit der Frau, nicht gegen sie geschützt werden.

Doch 1999 entschied die katholische Bischofskonferenz, dass die rund 260 katholischen Beratungsstellen keine Bescheinigungen ausstellen dürfen, die eine straffreie Abtreibung ermöglichen. Man wolle sich an der „Tötung ungeborenen Lebens“ nicht beteiligen. Darauf gründete sich der Verein Donum Vitae, der heute an 170 Orten katholische Konfliktberatung mit Beratungsschein anbietet. Daneben bestehen aber immer noch die klassischen katholischen Schwangeren-Beratungsstellen, deren Zahl laut Caritas nicht reduziert wurde. Allerdings haben mehrere Länder die staatliche Finanzierung gestoppt.

In Leipzig geht es nun um die Klagen von Beratungsstellen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Wie das Bundesverwaltungsgericht schon im letzten Jahr entschied, hat eine anerkannte Schwangerenberatungsstelle Anspruch auf eine 80-prozentige Finanzierung ihrer Sach- und Personalkosten durch den Staat, weil hier faktisch eine staatliche Aufgabe wahrgenommen wird. Die Caritas-Berater wollen nun 40 Prozent ihrer Kosten vom Staat erhalten, da sie zwar keine Konfliktberatung, aber allgemeine Schwangerenberatung anbieten. Im Gesetz ist auch vorgesehen, dass die allgemeine Beratung finanziert wird. Doch die widerspenstigen Länder erkennen das nicht an. Ihr Argument: Das Gesetz sehe ein „Gesamtkonzept zum Schutz des werdenden Lebens“ vor. Wer nur eine Teilleistung anbiete, verdiene keine Förderung.

Beobachter erwarten, dass diese Argumentation vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Bestand hat. Heute wird in Leipzig verhandelt, das Urteil könnte noch am Nachmittag verkündet werden. Welche Länder neben Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen von der Entscheidung betroffen sind, ist noch unklar. Der Sozialdienst katholischer Frauen, eine Caritas-Fachorganisation, verweist darauf, dass in manchen Ländern, etwa in Bayern das Finanzieren der Beratungsstellen auch durch Landesgesetze geregelt ist. Ausgerechnet Bayern zahlt den kirchentreuen katholischen Beratern bisher keine Zuschüsse. Baden-Württemberg dagegen finanzierte die Stellen auch weiterhin. CHRISTIAN RATH