Kasseler Ökostrom-Entscheidung: Spielend leichter Wechsel
Was Kassel jetzt macht, könnte jedes andere Stadtwerk auch. Die Kunden merken nicht mal etwas davon.
FREIBURG taz Dem Beispiel Kassel könnte jedes Stadtwerk folgen. Denn es geht hier lediglich um den Wechsel des Vorlieferanten, also um den Abschied von einem alten Vertragspartner zugunsten eines neuen.
Stadtwerke produzieren meist nur einen Teil des Stroms selbst, den sie an ihre Privat- und Gewerbekunden verkaufen, den Rest kaufen sie zu. Vor der Liberalisierung war genau festgelegt, wer der jeweilige Vorversorger ist - üblicherweise einer der vier großen Konzerne. Heute aber können die Stadtwerke sich ihren Strom kaufen, wo sie wollen, oft sogar bei verschiedenen Lieferanten. Sie decken sich den absehbaren Bedarf frühzeitig über Jahresverträge ab und kaufen weitere Kontingente kurzfristig zu, etwa über die Strombörse.
Weil alle Vertragspartner im schnelllebigen Energiemarkt flexibel bleiben wollen, sind die Laufzeiten der Lieferverträge kurz, meist nur ein Jahr, nach EU-Recht maximal fünf Jahre. So hat jedes Stadtwerk die Möglichkeit, Verträge mit neuen Partnern abzuschließen.
Für die Kunden ändert sich - wie auch im Fall Kassel - durch den Wechsel des Vorlieferanten nichts. Die Stromrechnung bekommen sie wie bisher von ihrem Versorger. Der einzige Unterschied besteht darin, dass fortan nicht mehr Eon einspeist, sondern dass künftig schwedischer Wasserkraftstrom durch Kasseler Leitungen fließt. Bei knapp 100.000 Haushaltskunden und einem Durchschnittsverbrauch von 3.000 Kilowattstunden im Jahr, geht es dabei um rund 300 Millionen Kilowattstunden, die Eon nicht mehr in Kassel verkaufen kann. Erschwert wird manchem Stadtwerk die freie Wahl jedoch durch seine Eigentümerstruktur: In den letzten Jahren haben sich die großen Konzerne in viele Stadtwerke eingekauft und können so bei der Strombeschaffung mitreden. Eon zum Beispiel ist über seine Tochter Thüga an annähernd hundert Energieversorgern beteiligt. An den Städtischen Werken Kassel hält die Stadt 75,1 Prozent der Anteile, der Rest gehörte einst den Hamburgischen Electricitäts-Werken HEW, die später in der Vattenfall-Gruppe aufgegangen sind. Das dürfte die Entscheidung des Unternehmens für schwedische Wasserkraft erleichtert haben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart